Ist doch so: Jeder will alt werden, aber niemand will altern. Ewige Jugendlichkeit ist Orientierungs- und Modellierungsmaßstab für gebotoxte Backen, schlauchbootgespritzte Lippen, straffgezurrte Bäuche. Alte Alte leben in der Tabu-, junge Junge in der Verdrängungszone. Andererseits: Gerade eben war Bob Dylan hier, vor nicht allzu langer Zeit rockte Mick Jagger das Wiener Praterstadion, Leonard Cohen kehrt immer wieder in Konzertsäle ein; und um nicht nur die begabten Söhne, sondern auch die großen Töchter der internationalen Konzerttourneen aufzuzählen, tun das auch Marianne Faithfull, Joan Baez uswuswusw.
Im Publikum sitzen keineswegs nur Silberrücken und Lilalocken. Ja, in der Welt des Pop, in der man dereinst lieber rechtzeitig zu sterben hoffte, als alt zu werden, ausgerechnet dort ist heute Siebzig das neue Vierzig. Im Modelbusiness sind die (F)alten die neuen Gesichter. Schön. Aber offenbar nichts fürs wirkliche Leben.
Unlängst ein Titel in dieser Zeitung: "Alte strömen auf den Arbeitsmarkt". Okay. Eine Überflutung muss man dank unternehmerischer Spargesinnung und dementsprechender Gegensteuerung (Altersteilzeit, Frühpension) nicht befürchten. Der Arbeitsmarkt verjüngt sich (in jeder Hinsicht). Altersrassismus und Jugendwahn sind nur zwei Seiten der selben Medaille. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 1.7.2014)