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Mikroskopische Aufnahme von einer menschlichen Eizelle, die von Spermien umgeben ist.

Foto: dpa/Jan-Peter Kasper

Wien - Sie hatte eine Welle der Entrüstung ausgelöst: Die rezeptfreie Abgabe der "Pille danach". Bischof Klaus Küng warnte, "dass wegen der leichten Erhältlichkeit vor allem junge Mädchen bedenkenloser zu dieser Pille als regelmäßiges Verhütungsmittel greifen werden". Aufseiten der ÖVP bezeichnete man den Schritt als "falsch", weil die "Pille danach" eine "regelrechte Hormonbombe" sei. Auf FPÖ-Seite sah man gar die Gesundheit von Frauen gefährdet.

"Keine der Befürchtungen ist eingetreten", resümierte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) am Montag nach rund viereinhalb Jahren rezeptfreier Herausgabe der Notfallpille - die seither nicht, wie Gegner befürchtet hätten, "wie ein Hustenzuckerl eingeworfen" werde. Stöger beruft sich dabei auf Ergebnisse einer Umfrage von meinungsraum.at, die dem Standard vorliegen.

500 Österreicherinnen und 500 Österreicher im Alter von 18 bis 49 Jahren wurden dabei repräsentativ zu Verhütungsunfällen befragt. 43 Prozent gaben an, in den letzten fünf Jahren eine Verhütungspanne gehabt zu haben, nach der das Risiko einer Schwangerschaft bestanden habe. In Wien war es sogar die Hälfte der Befragten. Auf die Frage, was sie in dem Fall taten, antworteten 40 Prozent der Männer, ihre Partnerin habe auf die "Pille danach" zurückgegriffen, gut ein Viertel gab an, "abgewartet/gehofft" zu haben, in jedem fünften Fall wurde ein Schwangerschaftstest gemacht.

39 Prozent warteten nur ab

Von den befragten Frauen gaben 39 Prozent an, abgewartet und gehofft zu haben, während je 31 Prozent einen Schwangerschaftstest durchführten oder die "Pille danach" nahmen (in Wien 41 Prozent). Die Verhütungspannen kamen laut Studie in den meisten Fällen (79 Prozent) innerhalb einer festen Beziehung oder Ehe vor.

Die Notfallpille ist weithin bekannt: 94 Prozent der Befragten gaben an, sie zu kennen beziehungsweise von ihr gehört zu haben. Rezeptfrei werden nach Informationen der Apothekerkammer zwei Präparate ausgegeben: Vikela von Sanova und Postinor von Bayer. Beide kosten rund 13 Euro. Darüber, wie diese Präparate wirken, herrscht offenbar aber noch Aufklärungsbedarf: Nur 13 Prozent der Befragten wissen, dass die "Pille danach" den Eisprung verschiebt, um eine Befruchtung der Eizelle unmöglich zu machen. Dafür sorgt der Wirkstoff Levonorgestrel, ein synthetisches Gelbkörperhormon, das auch in Anti-Baby-Pillen eingesetzt wird.

Ein Fünftel der Befragten glaubt fälschlicherweise, dass mit Einnahme der "Pille danach" eine bestehende Schwangerschaft abgebrochen wird; allerdings wirkt die rezeptfrei abgegebene Notfallpille nicht mehr, wenn die Einnistung der befruchteten Eizelle schon begonnen hat. Die Notfallpille muss so bald wie möglich - am besten binnen zwölf Stunden, keinesfalls später als drei Tage - nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Seit kurzem gibt es auch ein - rezeptpflichtiges - Präparat (Ellaone von Sanova), das noch nach fünf Tagen Wirksamkeit verspricht.

Dass es "Pille danach"-Präparate ohne Rezept in der Apotheke gibt, war nur 39 Prozent der von meinungsraum.at befragten Frauen bekannt - in Wien fast jeder Zweiten. Ein Fünftel glaubt, dass man diese nur beim Frauenarzt erhält. 38 Prozent waren der Meinung, dafür sei eine Verschreibung notwendig. Die Apothekerkammer kündigte an, noch 2014 eine Infokampagne zur Notfallpille durchzuführen.

"Moderne Mythen"

Experten zufolge herrscht über Verhütung im Allgemeinen nach wie vor Aufklärungsbedarf. Christian Fiala, ärztlicher Leiter des Gynmed-Ambulatoriums in Wien und im Vorstand der Europäischen Fachgesellschaft für Notfallverhütung (ECEC), spricht von "modernen Mythen", die kursieren. "Die Menschen sind zwar informiert, aber häufig falsch informiert", sagt Fiala. So gebe es in Österreich noch immer geschätzte 30.000 Abbrüche ungewollter Schwangerschaften pro Jahr. "Überall wird propagiert: Hormone sind schlecht. Dadurch greifen Frauen immer häufiger auf unsichere Methoden zurück", sagt Fiala.

Auch das Kondom stufen Experten nur mehr als "mittelmäßig sicher" ein - was laut Fiala vor zehn, 15 Jahren noch anders war. Doch laut interner Gynmed-Statistik sei ein Drittel der Frauen schwanger geworden, weil sie nur mit Kondom verhüteten. "Wenn man nur auf Kondome vertraut, sollte man die 'Pille danach' - wie einen Verbandskoffer im Auto - immer parat haben", rät Fiala.

Laut österreichischem Verhütungsreport, der vor wenigen Tagen in Salzburg präsentiert wurde, wird jede fünfte Frau bis zum Ende des gebärfähigen Alters einmal oder mehrmals ungewollt schwanger. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 28 Jahren, zehn Prozent sind unter 18 Jahre alt. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 1.7.2014)