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Nordkoreas Kim Jong-un (links, mit Generälen) ist verärgert ...

Foto: EPA/Rodong Sinmun

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... weil Chinas Präsident Xi Jinping im Rahmen seiner Besuchsdiplomatie Südkorea bevorzugt.

Foto: REUTERS/Jason Lee

Wenn Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un will, dass die Welt auf ihn hört, dann schießt er Raketen ab. In der vergangenen Woche waren es gleich ein halbes Dutzend. Vor allem die jüngsten Abschüsse von Lenkraketen am Sonntag brachten ihm die volle Aufmerksamkeit in China und Südkorea ein.

Die Nachrichtenagenturen beider Staaten - Xinhua und Yonhap - sendeten Eilmeldungen, als Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA Montagfrüh stolz bekanntgab, dass Kim die im Meer gelandeten Raketenabschüsse persönlich dirigierte. Es war bereits zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen, dass der 31-jährige Oberbefehlshaber der 1,1-Millionen-Mann-Armee das selbst getan haben soll.

Vermutlich am Donnerstag (Nordkorea nennt nie konkrete Daten) soll Kim nach KCNA-Angaben den Abschuss einer nicht näher spezifizierten Präzisionsrakete überwacht haben. Der Abschuss der Lenkraketen, über die Nordkorea die Schifffahrt nicht wie sonst üblich im Voraus informierte, wurde offiziell als Übung mit "Abschreckungswaffen zur Selbstverteidigung" bezeichnet, "um Sicherheit und Frieden im Land zu garantieren".

"Provokation"

Südkoreas Generalstab sagte nach Yonhap-Angaben, dass zwei mutmaßliche Scud-Raketen mit 500 Kilometern Reichweite am Sonntag kurz vor fünf Uhr früh abgeschossen worden seien. Da es keine Vorwarnung für die Schifffahrt gab, handle es sich um eine "Provokation".

Nordkoreas KCNA meldete am Montag, die Raketenabschuss-Übungen hätten "nicht die geringsten Auswirkungen auf regionalen Frieden und Sicherheit, die internationale Schifffahrt und das ökologische Umfeld gehabt". Kim sei sehr zufrieden mit dem von ihm dirigierten Test gewesen. Er hoffe, dass die strategischen Kräfte in Alarmbereitschaft stehen, um "in jedem Moment bereit zu sein, ihre hocheffizienten ballistischen Raketen abzuschießen".

Kim schießt dazwischen

Aus Nordkorea kommt offenbar gezieltes Störfeuer. Seit Peking vergangene Woche angekündigt hatte, dass Chinas Staatschef Xi Jinping am kommenden Donnerstag und Freitag dem mit dem Norden verfeindeten Bruderstaat Südkorea einen Staatsbesuch abstatten will, schießt Kim mit voller Kraft dazwischen.

Xi will mit Präsidentin Park Geun-hye auch über die Lage auf der koreanischen Halbinsel konferieren. Es ist seine erste Visite in Südkorea seit seinem Amtsantritt 2012. Er bricht erstmals demonstrativ mit der Tradition, dass Chinas Führer immer erst Nordkorea besuchen, bevor sie nach Südkorea fahren.

Offiziell gilt die Volksrepublik als einziger verbliebener politischer Verbündeter des Nordens, den sie nun weltweit öffentlich brüskiert. Das Verhältnis hat sich seit der Atomwaffenaufrüstung des Nordens und seinen von der Uno mit Sanktionen bestraften unterirdischen Atomtests und Raketenabschüssen abgekühlt .

Peking geht auf Distanz

Die Reihe von Kims Provokationen, darunter die spektakuläre Erschießung seines mit China-Geschäften befassten Onkels, hat Peking aus eigenen Interessen auf Distanz zu Pjöngjang gehen lassen. Xi Jinping sagte im vergangenen Jahr öffentlich: China werde nicht zulassen, dass in seinem Vorhof chaotische Entwicklungen vor sich gehen, die den Frieden der Region destabilisieren - eine deutliche Warnung an Kim, auch wenn er ihn nicht beim Namen nannte.

Ebenso wütend wie über den Erstbesuch von Xi in Südkorea dürfte Kim darüber sein, dass Peking ihn seit seinem Amtsantritt Ende 2011 noch nicht einmal zum Staatsbesuch eingeladen hat. Sein Vater und sein Großvater, deren dynastisches Erbe der Enkel in Nordkorea angetreten hat, besuchten China im Jahresrhythmus. Peking liefert dem heruntergewirtschafteten Armutsstaat fast alles Öl und alle Energie und einen Großteil seiner Nahrungsmittel.

Trotziger Diktator

Doch Kim warnt nun seinerseits China: Trotzig verkündete er beim Abschuss der Lenkwaffen nach KCNA-Angaben vom Montag, dass Nordkorea sein friedliches Umfeld und seine Souveränität nur durch eigene militärische Stärke selbst garantieren kann und sich auf niemanden verlässt. "Nur so wird niemand wagen, uns zu provozieren."

Es sei für die Sicherheit und den Frieden des Landes notwendig, "mit allen Mitteln die Selbstverteidigungsfähigkeiten der Armee zu erhöhen" - ein Signal, dass Nordkorea seine Atomaufrüstung weiter verfolgen wird.

Nach Berichten des südkoreanischen Militärs hat Nordkorea alle Vorbereitungen für einen vierten unterirdischen Atomtest getroffen. Nordkoreas amtliche Parteizeitung "Rodong Sinmun" forderte am Montag kurz vor der Xi-Reise nach Seoul "Südkorea und alle anderen Länder" auf, aus ihrer "dümmlichen Selbstillusion" aufzuwachen, Pjöngjang zur Aufgabe seiner Atomaufrüstung veranlassen zu können.

Drohungen auch gegen die USA

Kim versucht inzwischen auch mit Japan ins Einvernehmen zu kommen. Beide Staaten verhandeln, ob es zu einer Nordkorea-Reise von Premier Shinzo Abe kommt, um mit Kim über mehrere Dutzend von Nordkorea in den 1970er- und 1980er-Jahren gekidnappten Japaner zu reden.

Pjöngjang richtete am Montag auch gleich eine Warnung an die USA, die den Besuch von Chinas Staatschef in Südkorea begrüßten. KCNA verkündete am Montag, dass zwei während Nordkorea-Reisen festgenommene US-Touristen vor Gericht abgeurteilt werden. Die beiden US-Amerikaner Miller Matthew Todd und Jeffrey Edward Fowle waren am 10. und 29. April verhaftet worden. Pjöngjang wirft ihnen vor, feindliche Handlungen gegen Nordkorea begangen zu haben. (Johnny Erling aus Peking, derStandard.at, 30.6.2014)