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Heuer ist laut jüngster Prognose nur mehr ein Wirtschaftswachstum von 1,4 statt 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erwarten.

Foto: apa/Pfarrhofer

Die Prüfungswoche ist angelaufen: Bis Freitag will Michael Spindelegger jedes Ministerium darauf abklopfen, ob eh brav gespart wird. Zum Abschluss könnte der Finanzminister dann, so heißt es aus seinem Büro, eine Art Sammelzeugnis vorlegen.

An sich hat die Koalition diese "Mid-Term-Review" bereits Anfang April fixiert. Doch Spindelegger verlieh dem Reigen neue Dramatik, indem er neue Einschnitte andeutete. Weil die Wirtschaft laut Prognose heuer nur um 1,4 bis 1,5 statt 1,7 Prozent wächst, drohten geringere Steuereinnahmen und höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit, sagte der Vizekanzler - und sprach von Ressorts, die ihre Budgets überzogen hätten.

Konkrete Fehlbeträge nannte der ÖVP-Politiker nicht - das übernahm dankbar die Opposition: Mindestens eine Milliarde Euro fehle im Budget, behauptete Neos-Mandatar Rainer Hable.

Kann das stimmen? Der Befund von Experten klingt weit weniger dramatisch. Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sagt im Gespräch mit dem STANDARD: "Es wäre unangebracht, von einem Budgetloch zu sprechen." Der Einbruch, den die Konjunktur erleide, sei "nicht übermäßig groß", gibt sie zu bedenken und illustriert dies mit einer groben Rechnung: Daumen mal Pi geht man davon aus, dass sich ein Prozent weniger an Wirtschaftswachstum in einem um ein halbes Prozent höheren Budgetdefizit niederschlägt, was hierzulande etwa 1,5 Milliarden entspricht.

Folgt man dieser Faustregel, ergibt sich folgende Größenordnung: Ein Konjunkturknick von 0,3 Prozent entspricht bei allen Unsicherheiten etwa einem Fehlbetrag von 450 Millionen Euro.

Wifo und IHS geben Entwarnung

Weil die Schwankung verhältnismäßig gering sei und sich Prognosen rasch wieder ändern könnten, sagt Schratzenstaller: "Es gibt keinen Grund für ein neues, kurzfristiges Sparpaket." Eine Verletzung der kritischen Maastricht-Grenze von drei Prozent Defizit erwartet das Wifo trotz schwächerer Konjunktur nicht - sofern marode Banken nicht höhere Kosten verursachen als erwartet.

Christian Keuschnigg sieht ebenso "kein akutes Budgetloch" und folglich auch "keinen Bedarf für ein großes Sparpaket". Sehr wohl solle die Regierung aber "in die Tiefe gehen" und Nachbesserungen prüfen, sagt der Leiter des Instituts für Höhere Studien: "Sie hat das Budget von Anfang an knapp kalkuliert."

Das gilt aber nicht pauschal für alle Bereiche: So fiel das Plus bei der Lohnsteuer in den ersten fünf Monaten stärker aus als erwartet. Schwächer als prognostiziert entwickelte sich hingegen der zweite große Einnahmenposten, die Umsatzsteuer. Besondere Sorge bereitet jedoch die gestiegene Arbeitslosigkeit: Die Kosten dafür sind bis dato gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent gestiegen. Rechnet man diese Steigerungsrate aufs ganze Jahr, für das laut Budget nur ein Plus von 4,8 Prozent verbucht ist, hoch, zeichnet sich ein Fehlbetrag von 260 Millionen ab.

Grüne erwarten Minus von 600 Millionen

Der grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann nennt noch weitere Posten, wo die laufenden Ausgaben über dem Plan lägen: Bei den Beamtenpensionen erwartet er eine Lücke von 100 Millionen, überdies fielen in diesem Bereich die Einnahmen zu gering aus. Für unterbudgetiert hält der Abgeordnete auch den Bildungsbereich.

In Summe erwartet Rossmann eine Lücke von 600 bis 700 Millionen - angesichts eines Budgets von knapp 76 Milliarden sei das "überschaubar". Auch der Grüne sieht keine Notwendigkeit für ein Sparpaket, zumal dies die Konjunktur nur weiter abwürge: "Es handelt sich eher um ein Bugdetlocherl."

Auch die Arbeiterkammer sieht "keinen Grund zur Panik". Ein Budgetloch sei nicht in Sicht, sagt AK-Wirtschaftswissenschaftler Markus Marterbauer.

Expertin empfiehlt Strukturreformen

Was Expertin Schratzenstaller statt hektischer Nachbesserungen empfiehlt: "Umso intensivere Arbeit an den langfristigen Strukturreformen. Außerdem spricht die schwächere Konjunktur dafür, die Arbeitseinkommen zu entlasten." Um dies rasch bewerkstelligen zu können, rät sie zur Gegenfinanzierung über bestimmte Einnahmequellen, die als wachstumsschonend gelten: Streichung widersinniger Ausnahmen im Steuersystem, höhere Ökosteuern, reformierte Grundsteuer.

Darabos: "Schutzpatron der Millionäre"

Genau zu diesem Thema liefern sich SPÖ und ÖVP wiedereinmal einen Schlagabtausch. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos bezeichnete Spindelegger als "Schutzpatron der Millionäre". Anlass ist dessen Widerstand gegen die Millionärssteuer.

Dabei sollte mit dieser nach SPÖ-Vorstellung eine "spürbare Steuerentlastung" schon im Jahr 2015 finanziert werden. Das Zaudern und Zuwarten des Finanzministers in dieser Sache sei auch wirtschaftspolitisch gesehen grob fahrlässig und unvernünftig, findet Darabos in einer Aussendung. Denn diese Steuersenkung für die Arbeitnehmer und Pensionisten sei auch notwendig, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel wiederum forderte die SPÖ in einer Aussendung dazu auf, die "populistischen, sozialistischen Märchenstunden über angeblich allheilbringende zusätzliche Steuern" zu beenden. Jedes Mal, wenn der SPÖ nichts anderes einfalle, folge der Ruf nach neuen Steuern. Der Weg zu einer ehrlichen Steuerentlastung müsse über Schnitte bei den Ausgaben erfolgen.

Keine Details von Spindelegger

Spindelegger hielt sich am Montag von der Debatte: Weder wollte er sich dazu äußern, wo er Nachbesserungsbedarf beim Budget sieht, noch Details zu Mehrkosten und Mindereinnahmen nennen.

(Gerald John, derStandard.at/APA, 30.6.2014)