Kein Mensch ist ein Mäuschen. Aber jeder möchte eines sein, um so in die Kabinen und dort in den Genuss der jeweiligen Predigten zu kommen. Unsereins bekommt vom Ritual der Verschwörung ja nur den uninteressanten Rest mit. Von diesem aber auf jenes schließend, darf man doch davon ausgehen, dass sich einiges abspielt unter den Männern da drinnen.

Draußen hören wir ja nur die Hymnen. Sehen, wie die Deutschen einander - "brüderlich mit Herz und Hand" - die Arme um die Schultern legen (okay: Kapitän Lahm legt Goalie Neuer den Arm nicht um die Schulter). Sehen auch, wie die Amis - "and the rockets' red glare / the bombs bursting in air" - den Gänsemarsch darstellen: Hand auf Schulter, Hand auf Schulter, fast ein wenig erinnernd an Breughel und sein so eindrucksvolles Gemälde. Ja ja, eh: die Erinnerung täuscht.

Viele Nationen lassen sich solche hymnischen Spompanadeln einfallen. Wenige nur begnügen sich mit Dastehen und Absingen. Italien hält nicht Händchen (Buffon schloss bloß die Augen aus Inbrunst), Frankreich genügt auch der Text. Aber in solchen Hymnen geht es auch gleich ordentlich zur Sache. Wenn Andrea Pirlo schmettert (und sei's zum Abschied), da erhebt sich Italien wirklich zum Sprung, den "l'aquila d'Austria" zu rupfen. Und Benzema - nein, der nicht, der singt nicht - macht sich auch auf den Weg "aux armes". Kurz und gut: "Gemma, gemma."

Aber ob Händchenhalten, Schulterschlingen, Kreisverschwören. Jeder, der den Fußball so im Blut hat wie diese alle da in Brasilien - "gigante pela própria natureza" -, wissen, dass Lieder nicht nur einen inhaltlichen Pferdefuß haben könnten. Sondern vor allem einen zwingenden Versfuß. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 28./29.06.2014)