Wie war das damals in der Schule? Dass man in Latein sehr, sehr weit von der Bestnote war, das mag als lässliche Sünde gelten. Bei Mathematik oder Physik könnte das ein bisschen anders sein: Will man da riskieren, dass einem die Leistungsschwäche während der Pubertät ein, zwei oder noch mehr Jahrzehnte später zum Karrierehemmnis wird? Oder gar das Schulschwänzen, die Betragensnote, der nicht ganz freiwillige Schulwechsel zum Indiz für einen unverlässlichen Charakter?

Keine Sorge: Es weiß ja keiner davon!

Oder vielleicht doch? Still und leise wird derzeit an unseren Schulen das Informationssystem Sokrates eingeführt - eine Datenbank, die man sogar als virtuelles Klassenbuch nützen könnte. An sich eine feine Sache. Fein auch, dass beim Test des Systems entdeckt wurde, dass Eindringlinge in das System nicht nur die Noten x-beliebiger Schüler lesen, sondern auch verändern können - Testsysteme sind dazu da, dass solche Lücken entdeckt und geschlossen werden können. Ein blödes Gefühl bleibt dennoch.

Es ist dasselbe blöde Gefühl, das wir haben, wenn wir mit dem neuen Pensionskonto konfrontiert werden, mit der elektronischen Gesundheitsakte Elga oder wenn mit der Vorratsdatenspeicherung jeder Kontakt - ob zur Bank, zum Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten oder zur Freundin - für Monate (oder vielleicht länger) abgespeichert wird. Auf Verdacht. Weil wir ja alle irgendwann irgendwem verdächtig sind.

Immerhin: Was zu weit geht, geht zu weit. Der Verfassungsgerichtshof hat es am Freitag festgestellt: Die Regelung der Vorratsdatenspeicherung war weit überzogen, sie muss bis auf Weiteres eingestellt werden. Im allgemeinen Jubel darüber darf nicht untergehen: Es wird einen neuen Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung geben. Wenn die bisherige Argumentation mit der Terrorismusbekämpfung nicht zieht, wird man uns eben Raubersg'schichten von der Verfolgung von Kinderpornoringen auftischen.

Und die Politik wird einer neu geregelten Vorratsdatenspeicherung zustimmen, was die Bevölkerung abnicken wird. Wenn auch mit einem blöden Gefühl. Sind die Daten sicher? Sind sie überhaupt richtig? Wer bekommt sie - und macht nicht die NSA den meisten Betroffenen als potenzieller Empfänger weniger Sorgen als der Arbeitgeber oder die Ehefrau? Nach dem VfGH-Erkenntnis bleibt das blöde Gefühl; aber es wird doch ein wenig abgemildert. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 28.6.2014)