Chronische Infektionen mit dem Hepatitis C Virus gehören zu den häufigsten Gründen für Lebertransplantationen. Weil die vorhandenen Viren auch die neue Leber infizieren, ist das Immunsystem dort hochaktiv. Trotzdem wird das neue Organ nicht abgestoßen, wie Wissenschaftler vom Helmholtz Zentrum München und TU München jetzt herausfanden. Dabei erhöht eine dauerhafte Stimulation des angeborenen Immunsystems durch das Virus sogar die Wahrscheinlichkeit der Toleranz.

Neue Biomarker

Über 150 Millionen Menschen leiden weltweit an einer chronischen Infektion mit dem Hepatitis C Virus (HCV), das die Leber massiv schädigt. Fortgeschrittene Lebererkrankungen bedürfen nicht selten einer Lebertransplantation. In einer klinischen Studie untersuchten Forscher 34 Hepatitis C-Patienten am Universitätsklinikum in Barcelona, die zuvor eine neue Leber erhalten hatten. Sie verfolgten dabei zwei Ziele: zum einen wollten sie die Mechanismen besser verstehen, wie trotz HCV-Infektion das körpereigene Immunsystem das neue Organ tolerieren kann. Zum anderen suchten sie nach Faktoren, die in den Patienten als Biomarker für eine Toleranz dienen könnten.

"Wenn durch bestimmte Marker eine Toleranz zuverlässig vorhersagbar wäre, könnten viele Patienten nach einer gewissen Zeit ihre Immunsuppressiva absetzen", sagt Bohne, führender Wissenschaftler der Studie. Diese starken Medikamente müssen Patienten nach einer Transplantation einnehmen. Sie unterdrücken das Immunsystem, damit das neue Organ nicht als körperfremd erkannt und abgestoßen wird. Für Patienten mit einer Hepatitis C ist das eine besondere Belastung, weil sie nach der Transplantation eigentlich ein stabiles Immunsystem brauchen, um ihre chronische HCV-Infektion zu kontrollieren.

Natürliche Immunsuppresiva 

Während der Studie wurden bei den Patienten die Immunsuppressiva abgesetzt. Anschließend wurden sie für zwölf Monate beobachtet, um zu sehen, wer sein Organ auch ohne Immunsuppressiva tolerierte und wer nicht. Vor und nach dem Absetzen der Medikamente entnahmen die Wissenschaftler Gewebe aus der Leber und dem Blut der Patienten. Sie verglichen die Patienten miteinander und suchten nach Unterschieden, die nur bei toleranten Patienten auftauchten - und wurden fündig: Nur in der Leber von toleranten Patienten war eine bestimmte Gruppe von Genen sehr aktiv.

Es handelte sich dabei um Gene des Typ I Interferon Systems, das als Teil des angeborenen Immunsystems gegen Viren wie das HCV gerichtet ist. Ein eigentlich anti-viraler Mechanismus erlaubt den Patienten somit ein fremdes Organ besser zu tolerieren, wie die Ergebnisse zeigten. "Wenn das Interferon-System wie in einigen chronisch-infizierten Patienten ständig aktiviert wird, reguliert es andere Immunreaktionen nach unten, um den Körper zu schützen. Dieser Zustand könnte wie ein natürliches Immunsuppressivum wirken und die Abstoßung des Organs verringern", sagt Wissenschafterin Ulriike Protzer.

Neben den Genen des Typ I Interferon-Systems kam zudem ein zweiter Faktor als möglicher Marker in Frage. Diesen hatten die Forscher in einer vorherigen Studie an Leberempfängern ohne HCV-Infektion entdeckt. Patienten waren mit hoher Wahrscheinlichkeit tolerant, wenn sie zwei verschiedene Untergruppen von Immunzellen in einem bestimmten Verhältnis im Blut hatten. Auch in der neuen Studie mit HCV-Patienten sagte dieses Verhältnis zuverlässig eine Toleranz vorher. (red, derStandard.at, 27.6.2014)