Linz - Im Prozess um drei 1951 an die Neue Galerie der Stadt Linz verliehene, zwischenzeitlich verschwundene Werke Gustav Klimts und Egon Schieles haben die Erben am Freitag ihre Forderung von 6,25 auf knapp 7,2 Millionen Euro (plus 5,53 Prozent Zinsen seit 2006) ausgedehnt. Die von der Stadt bestellten Experten nannten bei der Fortsetzung der Verhandlungen am Freitag klar niedrigere Schätzungen. Überdies zieht Linz die Echtheit des Schiele-Bildes Tote Stadt in Zweifel. Dem schloss sich auch die international anerkannte Schiele-Expertin Jane Kallir, die am Freitag als Zeugin einvernommen wurde, an: Das Bild sei zu 95 Prozent eine Fälschung, sagte Kallir.

Angesichts der Klagshöhe pochte der Richter zu Verhandlungsbeginn auf einen Vergleich, allerdings vorerst ohne Erfolg. Gegen Ende zeichnete sich zumindest Gesprächsbereitschaft ab. Das Verfahren dürfte am 5. September fortgesetzt werden.

Die Expertenmeinungen im Detail

Basis der höheren Forderung der Erbenfamilie ist das Gutachten des vom Gericht bestellten Gutachters Herbert Giese. Er bewertete die Klimt-Zeichnung "Zwei Liegende" mit 65.650 Euro, das Aquarell "Junger Mann" mit 622.500 Euro und das Schiele-Ölgemälde "Tote Stadt" mit 6,5 Mio. Euro. Giese räumte am Freitag ein, er könne weder ausschließen, dass das Bild gefälscht ist, noch das Gegenteil. Auch darüber, ob es sich um ein arisiertes Werk handeln könnte, sei keine Aussage möglich. In den 40 Jahren seiner Tätigkeit als Kunsthistoriker, -händler und -gutachter seien ihm rund 40 Fälschungen von Klimt- und Schiele-Bildern untergekommen.

 Der Provenienzforscher des Leopold-Museums Robert Holzbauer hält die "Tote Stadt" zu "99 Prozent für eine Fälschung". Er hat für alle drei Bilder insgesamt einen Verkehrswert von 199.100 bis 1,58 Mo. Euro (Stand 2006) ermittelt.

Die international anerkannte, amerikanische Schiele-Expertin Jane Kallir, die sich nur mit der "Toten Stadt" befasst hat, hält diese "zu 95 Prozent" für gefälscht. Nur auf Basis ihrer Zahlen sei ein Vergleich diskutierbar, so der Rechtsvertreter der Stadt. Kallir bezifferte den Wert für einen Fake mit 500 US-Dollar (367,49 Euro), für ein echtes Werk aus der frühen Schaffensperiode mit 200.000 und für einen "reifen" Schiele 800.000 US-Dollar (587.975,89 Euro).

Gieses Methode bestand darin, den Preis vergleichbarer Schiele-Werke, die in den vergangenen fünf Jahren versteigert wurden, zu mitteln. Damit kam er auf rund 9,5 Mio. Euro für die "Tote Stadt". Diesen Betrag habe er aufgrund seiner Erfahrung um etwa ein Drittel reduziert, erklärte er. Holzbauer, der ein Privatgutachten für die Stadt erstellt hat, hält Gieses Methode für "unpassend", weil die verwendeten Bilder nicht vergleichbar seien und er welche aus der höchstbewerteten Schaffensperiode Schieles herangezogen habe. "Das Problem ist, dass sich bei diesen unbekannten Werken eine sehr große Bandbreite ergibt", so Holzbauer.

Den Zweifel an der Echtheit untermauerte der Rechtsvertreter der Stadt überdies damit, dass Gurlitt als Tischler begonnen habe und mit seinem Studium gescheitert sei. Kasten, der die Werke übernahm, habe ebenfalls keine spezifische Ausbildung gehabt. Zudem seien die Bilder Leihgaben gewesen und daher sicher nicht so genau überprüft worden wie Ankäufe.

Vorgeschichte

Die damalige Eigentümerin der Bilder, Olga Jäger, verlieh 1951 insgesamt vier Bilder an die Neue Galerie (heute Lentos). Dafür existiert eine Übergabebestätigung, die Walter Kasten, ab 1947 stellvertretender Leiter und später Direktor, unterzeichnet hat. Im Briefkopf wird der Gründer der Neuen Galerie, Wolfgang Gurlitt, genannt. Als die Erben den Leihschein aus dem Nachlass einlösen wollten, waren die Werke nicht mehr auffindbar. (APA, red, 27.6.2014, derstandard.at)