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Android Wear soll Smartwatches zum Durchbruch verhelfen. Im Bild die Moto 360 - die noch diesen Sommer ebenfalls mit der neuen Variante des Google-Betriebssystems auf den Markt kommen soll.

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Zur Kommunikation mit dem Smartphone gibt es eine eigene Companion App.

Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Über Karten bietet Android Wear schnell das wichtigste auf den ersten Blick.

Grafik: Google

Bei einigen dieser Karten können über seitliche Wischbewegungen aber noch weitere Details aufgespürt werden.

Grafik: Google

Bereits im März erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt, hat Google vor kurzem den offiziellen Startschuss für eine neue Variante seines Betriebssystems Android gegeben: Android Wear soll mit frischen Konzepten Wearables - und hier zunächst vor allem Smartwatches - zum Durchbruch verhelfen. Was Android Wear derzeit zu leisten vermag hat sich der WebStandard auf einer der ersten Smartwatches mit Googles Betriebssystem - der LG G Watch - angesehen. Die folgende Betrachtung konzentriert sich allerdings bewusst auf die Softwareseite. Die konkrete Hardware wird in einem nachfolgenden Artikel unter die Lupe genommen.

Warum eigentlich?

Doch zunächst einmal zur grundlegenden Frage: Was soll eigentlich der Sinn einer Smartwatch sein? Immerhin bringt die beste Technologie wenig, wenn für die KonsumentInnen kein nachvollziehbarer Mehrwert vorhanden ist. Google erklärt die eigene Motivation zur Entwicklung von Android Wear jedenfalls folgendermaßen: Während Smartphones mittlerweile zu wirklich mächtigen Computing-Plattformen herangewachsen sind, sind es oft die kleinen Aufgaben, die den Smartphone-Alltag ausmachen. Eine eingehende Benachrichtigung - und flugs wird zum Smartphone gegriffen, um nachzusehen, was es gerade aktuelles gibt.

Zu umständlich

Doch genau für solche Aufgaben seien Smartphones nur begrenzt geeignet, argumentiert Google. Das Gerät aus der Tasche holen, es zu entsperren, zum Benachrichtigungsbereich zu navigieren, und dann dort endlich den passenden Infoschnippsel zu lesen - dies sei eigentlich ein absurd komplexer Ablauf.  Eine Smartwatch sei für diesen Aufgabenbereich aufgrund der fixen Verankerung am Armgelenk wesentlich besser geeignet, argumentiert der Softwarehersteller.

Fokus

Aus all dem bislang Gesagten wird aber auch ein wichtiger Eckpunkt von Android Wear klar: Im Gegensatz zu so manch anderem Hersteller will Google gar nicht den universalen Miniaturcomputer am Armgelenk bauen. Viel mehr soll Android Wear vor allem eine Info- und Wissensschnittstelle für Alltagsaufgaben sein.

Kooperation

Dies bedeutet zunächst eines: Android Wear ist vollständig von der Existenz eines Smartphones abhängig, und funktioniert nur im Zusammenspiel mit diesem. Zu diesem Zweck gibt es eine eigene Companion App für Android. Voraussetzung ist, dass das Smartphone mindestens Android 4.3 einsetzt, eine Beschränkung auf einen einzelnen Hersteller gibt es hingegen nicht.

Softwarebasis

Der Grund für diese Softwareanforderung liegt in zwei zentralen Verbesserungen, die Android 4.3 im Sommer 2013 eingeführt hat. Da wäre zunächst der Bluetooth-Low-Energy-Support, der es überhaupt erst ermöglicht, eine fixe Verbindung zwischen den beiden Geräten aufzubauen, ohne dass der Akku in Windeseile leer ist. Zudem wurden die Möglichkeiten für Benachrichtigungen deutlich ausgebaut, und diese sind  jetzt eine wichtige Grundlage für Android Wear.

Automatismus

Im Kern übernimmt Android Wear nämlich zunächst mal alle Benachrichtigungen direkt vom Smartphone. Der Vorteil dieses Ansatzes: Halbwegs aktuelle Android-Apps müssen exakt nichts tun, um mit Android Wear zusammenzuarbeiten. Verwenden sie Action-Knöpfe - beispielsweise für die Archivierung eines Mails oder das Favorisieren eines Tweets - werden sogar diese korrekt von Android Wear interpretiert und auf der Uhr dargeboten.

Grafische Umsetzung

Die Darstellung von Benachrichtigungen erfolgt dann in Form von kleinen Karten, wie sie bei Google derzeit bei fast allen aktuellen Design zu finden sind. Ist der Text etwas länger, kann er mit einem Klick darauf auf seine volle Länge ausgedehnt werden. Mit Swipes nach oben und unten wird durch all die aktuell vorhandenen Benachrichtigungen gescrollt. Eine Wischbewegung von links nach rechts entfernt die betreffende Benachrichtigung, der Swipe in umgekehrter Richtung offenbart wiederum die jeweils zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen. All dies mag verschriftlicht zunächst kompliziert klingen, im realen Einsatz geht die Navigation aber sehr intuitiv von der Hand und wird zudem beim ersten Start der Smartwatch noch mal direkt am Objekt trainiert.

Now

Dass es hier auch wirklich dauernd etwas zu sehen gibt, dafür sorgt vor allem Google Now. Neben den klassischen Benachrichtigungen übernimmt Android Wear nämlich auch die Karten jenes Services, der sein Wissen aus den Datenspuren der NutzerInnen bei Google speist. Also wird dann etwa automatisch die Wettervorschau für anstehende Reiseorte angeboten oder der zugehörige Boarding-Pass-Code dargestellt. Ebenfalls sehr nützlich ist, dass bei Reisen in andere Zeitzonen, die Uhrzeit am Heimatort dargeboten wird. Ein netter Bonus ist, dass sich ausführliche Now-Karten - oder auch längere Benachrichtigungen - über eine Option wieder auf dem Smartphone öffnen lassen, um den größeren Bildschirm zu nutzen.

Zuhause

Den “Homescreen” von Android Wear bildet - welch Überraschung - eine Uhr, die im Standby-Modus bei den aktuellen Smartwatches in Schwarz/Weiß dargestellt wird. Nur auf diesem Bildschirm gibt es eine weitere Geste: Mit einem Swipe von oben nach unten kann die Smartwatch lautlos gestellt werden, außerdem wird an dieser Stelle der Akkustand angezeigt.

Prominente Position

Am Homescreen wird zudem immer die gerade aktuellste Benachrichtigung präsentiert. Dieser Mechanismus funktioniert im Test einmal besser, einmal schlechter. Sind nämlich keine dringlichen Benachrichtigungen vorhanden, rutschte gern mal ausgerechnet jene Google-Now-Karte hoch, die, Abfahrtszeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln in der Umgebung anzeigt. Mehr als eine nichtssagende Adresse bleibt von dieser am Display der Smartwatch allerdings nicht übrig.

Aktuelles hat Vorrang

Solche Situationen bilden aber ohnehin die Ausnahme, werden doch aktuell eingehende Nachrichten immer ganz nach oben gereiht. Trifft ein Mail oder eine Message ein, wacht das Display kurz auf, und zeigt diese somit umgehend an. Zudem wir mit einem leichten Vibrieren auf das Eintreffen einer neuen Nachricht hingewiesen. Nach wenigen Sekunden wird dann wieder auf den reduzierten Standby-Modus, also die simple Text-Darstellung mit weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund, zurückgewechselt.

Design: Plus

Die grafische Umsetzung von Android Wear kann dabei als durchaus gelungen bezeichnet werden: Die klare Typografie, die hübsch gestalteten Karten sowie der Umstand, dass Nachrichten automatisch mit dem Avatar des jeweiligen Kontakts unterlegt werden - all dies weiß zu gefallen. Hier hat die Designabteilung von Google wirklich ganze Arbeit geleistet.

Wer suchet

Neben all dem Erwähnten will Android Wear aber noch eine andere Rolle einnehmen und zwar jene als Wissenszentrale. Per Spracheingabe können Fragen an die Google Suche gestellt oder einzelne Aktionen ausgelöst werden. Die diesbezügliche Palette reicht vom Stellen des Weckers bis zu ortsgebundenen Erinnerungen. Wer will kann auf diesem Weg aber auch das Abspielen von Musik am Smartphone über den Umweg der Smartwatch veranlassen.

Ok Google

Eine solche Sprachsuche lässt sich entweder mit einem Druck auf die Uhr oder durch die Phrase “Ok Google” auslösen. Ganz allgemein stellt sich dabei allerdings langsam die Frage ob sich Google mit dieser Wortfolge wirklich einen Gefallen getan hat. Immerhin verwendet man diese mittlerweile bei einer erklecklichen Anzahl von Geräten, wodurch es dann schon mal passieren kann, dass neben der Smartwatch gleichzeitig auch das Smartphone auf diesen Befehl reagiert.

Einschränkung

Was zudem etwa Sorge bereitet, ist, dass zumindest bei der ersten Gerätegenerationen keinerlei Bindung an die Stimme des Benutzers oder der Benutzerin erfolgt. Zumindest reagiert Android Wear auf diese Phrase aber nur bei aktivem Bildschirm, womit ein scherzhaftes Auslösen durch Dritte unmöglich wird.

Wirrwarr

Eine der erwähnten Ausnahmen vom gelungenen Interface sind die Einstellungen, diese sind nämlich alles andere als leicht aufzuspüren, und nicht gerade optimal implementiert. Wer diese aufrufen will muss zunächst eine Sprachsuche initiieren, nur um dann gleich weiter nach unten zu scrollen. Nach einer Liste von vorgeschlagenen Phrasen für die Google-Suche folgt irgendwann der Eintrag, der zu den Settings führt. Für Drittapps hat man übrigens ebenfalls noch keine wirklich passende Stelle im System gefunden. Diese sind noch eine Position weiter unter einem Eintrag namens “Start” zu finden.

Einstellungsfrage

in den Einstellungen lässt sich die Helligkeit des Bildschirms einstellen, zudem darf festgelegt werden, ob die Uhrzeit immer dargestellt oder bei Nichtbenutzung der Bildschirm ganz abgeschaltet werden soll. Die Aktivierung des Flugzeugmodus findet sich an dieser Stelle ebenso wie die Möglichkeit das Gerät zurückzusetzen - übrigens der einzige Weg um es neu mit einem Smartphone zu pairen. Und erst darunter ist dann jener Punkt, mit dem sich das Aussehen der Uhr individualisieren lässt.

Apps

Eines muss noch klargestellt werden: Bei all dem bislang Erwähnten handelt es sich nur um die Kernfunktionen von Android Wear. Über spezialisierte Apps sollen sich schon bald neue Möglichkeiten eröffnen. Auf der I/O demonstrierte man etwa, wie künftig mit der Smartwatch schnell mal etwas zum Essen bestellt werden kann. Auch Pinterest und Paypal arbeiten mittlerweile an eigenen Apps. Bisher ist all dies allerdings noch blanke Theorie, die entsprechende Kategorie im Play Store ist derzeit noch leer.

Beispielhaft

Einen kleinen Vorgeschmack auf sinnvolle Einsatzmöglichkeiten so einer Smartwatch, die über reine Benachrichtigungen hinausgehen, zeigte aber zumindest schon mal die offizielle App zur Google I/O. Diese informierte nämlich nicht nur zeitgerecht über auserkorene Sessions und den zugehörigen Vortragsraum. Kurz vor Ende des jeweiligen Vortrags wurde auch um eine Bewertung desselben gebeten. Mit wenigen Swipes war dies in wenigen Sekunden abgehandelt - ohne je das Smarphone zur Hande nehmen zu müssen.

Fitness

Ein weiteres großes Einsatzgebiet von Android Wear werden sicherlich künftig Fitness-Apps sein, hat Google doch gerade erst eigene Schnittstellen für Android veröffentlicht. Dies hängt allerdings auch stark von der jeweils verbauten Hardware ab, bei der als Testumgebung verwendeten LG-Smartwatch beschränkten sich die diesbezüglichen Funktionen jedenfalls noch auf das Schrittezählen.

Softwarebasis

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Software: Android Wear basiert auf Android 4.4 “KitKat”, und damit auf der aktuellsten stabilen Version des mobilen Betriebssystems. Der Umstand, dass sämtliche bisher vorgestellten Smartwatches mit Android Wear dieselbe Oberfläche vorweisen, darf zudem als Hinweis darauf gelesen werden, dass Google bei Android Wear solche Modifikationen schlicht nicht erlaubt. Hier will man wohl gleich von Anfang an eine Situation wie im Smartphone- oder Tabletbereich verhindern.

Fazit

Das Debüt von Android Wear kann sich durchaus sehen lassen: Das Konzept wirkt durchdacht, die grafische Umsetzung sowie die grundlegende Interaktion sind sehr gut gelungen. Auch wenn Android Wear an einigen Stellen noch der frühe Entwicklungsstatus anzumerken ist, und die gesellschaftliche Akzeptanz für Sprachsuche weiterhin gegen Null tendiert, gilt es doch festzuhalten. Das Potential ist da - was bisher ja nicht gerade über viele Bestrebungen im Smartwatchbereich gesagt werden konnte.

Überzeugungsarbeit

Nun gilt es die KonsumentInnen davon zu überzeugen, dass sie für sich einen wirklichen Nutzen aus der Verwendung einer Smartwatch ziehen können. Ob dies gelingt, ist aber eine ganz andere Frage - und wird letztendlich maßgeblich von der verfügbaren Hardware abhängen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 27.6.2014)