Die Bilder aus Kairo diese Woche waren erschütternd: führende internationale Journalisten, eingesperrt in Käfigen, verurteilt zu langjährigen Haftstrafen aufgrund angeblicher Beweise, deren Absurdität sich bereits im Gerichtssaal offenbarte.

Ägyptens frisch gewählter Präsident Abdel Fattah al-Sisi entpuppt sich hier erneut als Autokrat alten Schlages. Abgesehen davon, dass ihm jede freie Presse ein Gräuel ist, sieht er Al-Jazeera als verlängerten Arm von Katar - und das Emirat als Verbündeten der verhassten Muslimbrüder. Was die Journalisten tatsächlich berichten, ist in Sisis paranoider Weltsicht gleichgültig.

Die Urteile in Ägypten sind kein Einzelfall. In aller Welt gehen Regierungen unterschiedlicher Ausrichtung mit zunehmender Härte gegen unabhängige Medien und Journalisten vor, von China über Russland bis zur Türkei und Ungarn. Ob wirtschaftlicher Druck oder Strafverfolgung - die Arbeit von Journalisten wird auf Schritt und Tritt behindert.

Auffallend ist, dass die Herrschenden die alten Medien zu einem Zeitpunkt an die Kette legen, als diese gegenüber neuen Social Media an Einfluss verlieren. Aber gerade weil Regime merken, dass sie gegen die unbezahlten Aktivisten auf Facebook und Twitter kaum ankommen, versuchen sie offenbar, ihr Meinungsmonopol über die Unterdrückung professioneller Reporter zu verteidigen. Das ist mehr ein Akt der Verzweiflung als nüchternes Machtkalkül.

Dennoch hat die Unterdrückung der Pressefreiheit massive Konsequenzen. Es geht nicht um das Wohlbefinden einzelner Journalisten und Verleger, sondern um eine tragende Säule der Zivilgesellschaft, ohne die es weder echte Demokratie noch Rechtsstaat geben kann. Tweets und Blogs ermöglichen zwar selbst bei Zensur eine gewisse Meinungsvielfalt, aber sie ersetzen nicht die strukturierten Recherchen investigativer Reporter, die das aufzudecken versuchen, was die Mächtigen vor ihren Bürgern verbergen wollen.

Pressefreiheit ist neben den Rechten für Randgruppen und einem fairen Justizsystem der wichtigste Gradmesser für die Qualität eines Staatswesens. Das gilt nicht nur für ganz oder halbdiktatorische Staaten. Denn solche verweisen gerne auf Beispiele im Westen, wo im Namen nationaler Interessen wie dem Kampf gegen Terror die Rechte von Medien und Journalisten ebenfalls beschnitten werden. Vor allem die Obama-Regierung hat durch ihr hartes Vorgehen gegen Whistleblower und Aufdecker viel von ihrer moralischen Autorität im Kampf gegen Zensur und Unterdrückung eingebüßt. Entsprechend schwach fiel die US-Kritik an den ägyptischen Skandalurteilen aus.

Aber auch in Österreich hat die Koalition zuletzt versucht, potenzielle politische Missstände zu Staatsgeheimnissen zu erklären, um sie so vor dem Zugriff der Medien zu schützen. Ebenso wie die jüngste Medienschelte des deutschen Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff zeigt das bloß, dass auch heimische Politiker das Grundprinzip der Pressefreiheit nicht verstehen: Kritischer Journalismus ist lästig, nicht immer fair und gelegentlich sogar falsch. Aber es gibt kaum Beispiele, dass aufmüpfige Berichterstattung je einem Land ernsthaft geschadet hat.

Einschränkungen der Pressefreiheit kosten hingegen Transparenz, Pluralismus und Demokratie - und machen jedes Gemeinwesen korrupter, autoritärer und weniger lebenswert. (Eric Frey, DER STANDARD, 27.6.2015)