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Lange wartete Beppe Grillo ab und trank Kaffee, bevor er sich entschloss, seinen Kurs zu korrigieren.

Foto: EPA/RICCARDO DALLE LUCHE

Italiens Premier Matteo Renzi und sein Gegner Beppe Grillo sind sich bisher nur ein einziges Mal begegnet: am 19. Februar bei den rituellen Beratungen zur Regierungsbildung. Dabei machte Grillo aus seiner Verachtung für den 39-Jährigen kein Hehl, bedachte ihn mit Häme und fiel ihm ständig ins Wort. Seither war Renzi für den Ex-Komiker bloß ein "Provinztrottel" oder der "notorische Lügner".

Doch nun scheint das Ende der Eiszeit nahe: Seit Renzis Partito Democratico (PD) bei den EU-Wahlen das Doppelte von Grillos Stimmen einheimste, hat die Bewegung eine Kehrtwende vollzogen, deren Folgen Millionen Italiener am Mittwoch staunend im Fernsehen verfolgen konnten.

"Verehrter Herr Präsident"

Da empfing der smarte Premier eine Fünf-Sterne-Delegation, die den "verehrten Herrn Präsidenten" höflich um ein Gespräch über das neue Wahlrecht ersucht hatte. Die Begegnung fand in einem radikal veränderten Klima statt. Man unterhielt sich entspannt, konstruktiv und freundlich.

Renzi lobte den von der Bewegung vorgelegten Entwurf für ein neues Wahlrecht als positiv: Er habe nur den Makel, die Regierbarkeit des Landes nicht zu gewährleisten: "Wir wollen, dass die Italiener schon am Wahlabend wissen, wer sie regiert." Aber den Wunsch der Gesprächspartner nach der Einführung von Vorzugsstimmen lehne er nicht grundsätzlich ab. Weitere Treffen wurden vereinbart.

Hatte bisher stets die Fünf-Sterne-Bewegung auf eine Live-Übertragung im Internet bestanden, so war es nun Renzi, der ein Streaming des Treffens wünschte.

Argwohn bei Berlusconi

Die unerwartete Annäherung wurde vor allem von einem mit Argwohn verfolgt: Silvio Berlusconi. Er muss um seine Schlüsselrolle bei der Reform des Senats und des Wahlrechts fürchten. Dem bereits durch die Wahlniederlage geschwächten Ex-Premier droht am 18. Juli eine weitere Verurteilung, diesmal im "Ruby"-Prozess. Zudem ist seine Partei durch Flügelkämpfe gelähmt. Eine Annäherung zwischen den "Grillini" und dem regierenden Partito Democratico könnte Berlusconi vollends zur politischen Bedeutungslosigkeit verdammen.

Für Renzi eröffnen sich dagegen neue Perspektiven: Ihm bietet sich nun die Chance, in wenigen Wochen zwei seit Jahren heftig umstrittene Reformen zu verwirklichen: das neue Wahlrecht und die Abschaffung des Senats in seiner bisherigen Form. Die zweite Parlamentskammer soll dann nur noch aus 100 Regionalvertretern bestehen - von der Idee her nicht unähnlich dem Bundesrat in Österreich und Deutschland. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 27.6.2014)