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Puls4-Chef Markus Breitenecker.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

An der Cherry Avenue 901 in San Bruno, Kalifornien, bei Youtube LLC also, kann man sich auf Post aus Wien-Landstraße einstellen. Das Handelsgericht Wien wird die Videoplattform und zweitgrößte Suchmaschine der Welt (nach ihrem Mutterkonzern Google) auffordern, zu einer Klage aus Österreich Stellung zu nehmen.

Die schlanken und doch gewichtigen neun Seiten hat die Wiener Kanzlei Ploil, Krepp, Boesch eingebracht. Für die Puls 4 TV GmbH und gegen Youtube USA sowie gegen die Wiener Dependance der Youtube-Mutter Google.

"Praktisch Diebstahl unserer Inhalte"

Worum geht es? "Wir wehren uns dagegen, dass es Youtube ermöglicht, von uns hergestellte Inhalte illegal hochzuladen, ohne uns zu fragen und ohne die Urheberrechte abzugelten. Das ist praktisch Diebstahl unserer Inhalte. Juristisch formuliert: eine Verletzung unserer Urheberrechte.“ So erklärt Markus Breitenecker die Klage. Er ist Geschäftsführer der Puls 4 TV GmbH und der ProSiebenSat.1 PULS 4 TV-Gruppe in Österreich.

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Foto: Reuters Dado Ruvic

Vorerst klagt Puls 4 auf Unterlassung: "Das wäre ein Erdbeben“, freut sich Breitenecker schon vor auf den erhofften Richterspruch: "Wenn Youtube dafür sorgen muss, und nicht wir, dass unsere Inhalte nicht gleichsam gestohlen werden.“ Über allfälligen Schadenersatz will er dann nachdenken. Streitwert vorerst: 45.000 inklusive Urteilsveröffentlichung

"Beihilfe zur Verletzung, vielleicht Anstiftung"

Von "unzähligen“ Videos aus dem Puls-4-Programm, aus dem "täglich mindestens ein“ Clip hochgeladen werde, listet die Klage beispielhaft Ausschnitte aus "Austria’s next Topmodel", Champions League und anderen Sportsendungen und aus einer Reihe über Lebensmittelskandale auf.

Nun kann Youtube entgegnen: Nicht die Plattform, sondern die Userinnen und User laden all diese Videos hoch. "Darauf kann sich Youtube nicht ausreden“, sagt Breitenecker im Gespräch mit dem STANDARD: "Youtube leistet jedenfalls Beihilfe zur Verletzung von Urheberrechten, vielleicht stiftet die Plattform sogar dazu an."

"Hätten Sie eine Alarmanlage eingebaut"

Aber Youtube bietet doch Unternehmen immerhin an, ihre Inhalte für die Plattform zu kennzeichnen und so zu schützen oder der Plattform Verstöße zu melden: "Ich will nicht aktiv werden müssen, damit andere unsere Inhalte nicht stehlen“, sagt Breitenecker: "Das ist, als würde mir ein Einbrecher erklären: Hätten Sie eine Alarmanlage eingebaut und wären Sie mir nachgelaufen und hätten Sie mich eingeholt und ihren Schmuck zurückverlangt, dann hätte ich ihn Ihnen doch eh zurückgegeben.“

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Foto: APA/EPA/HOW HWEE YOUNG

Die Klage sucht auch einer weiteren Argumentationslinie den Weg zu versperren: Das E-Commerce-Gesetz sehe zwar vor, dass reine Host-Provider für fremde Daten auf ihren Servern nicht verantwortlich sind, jedenfalls solange sie nicht wissen, dass sie dem Gesetz widersprechen. "Aber Youtube weiß ja, welche Inhalte hochgeladen werden, sonst würden strafrechtlich relevante Videos ja nicht gesperrt", sagt Breitenecker.

Risiken im Börseprospekt

Der Konzern weise zudem selbst in seinem Börseprospekt ausdrücklich auf Risiken aus internationalem Recht hin, die "nicht mit unserem Umgang mit Daten übereinstimmen“ und einen "materiellen Effekt auf unser Geschäft“ bedeuten könnten. Und Youtube beschränke sich auch gar nicht darauf, alleine Informationen anderer zu speichern.

Eine Schlüsselstelle auf Breiteneckers Rechtsweg Richtung Cherry Avenue (und Wiener Graben 19, wo Google Austria sitzt): Youtube binde die von Usern hochgeladenen Videos in ein umfassendes Angebot von Diensten ein. Videos würden nach Themen geordnet, sie seien suchbar und kontextbezogen verknüpft. Die Videos würden länderspezifischen Webseiten zugeordnet, jeweils mit speziellen regionalen Inhalten und länderspezifischen Vorschlägen. "Eindeutige Beweise für redaktionelle Bearbeitung“, sagt Breitenecker.

"Illegale Umfelder"

Und Google/Youtube vermarkten und platzieren um und in diesen Videos anderer Werbung - in Österreich und gezielt für Österreich. Werbung in und für Österreich zu akquirieren und zu schalten, ist auch das Geschäftsmodell von ProSiebenSat.1 PULS 4 - mit dem die Fernsehgruppe, neben ansehnlichen Gewinnen, Programminhalte für Österreich finanziert, von Austria-News bis zum Sender Puls 4. Breitenecker sagt, er "will nicht, dass österreichische Webekunden in diese illegalen Umfelder hineingezogen werden".

An dem Punkt gelangt die Klage auch ins Wettbewerbsrecht. Breitenecker: "Selbst wenn es legal wäre, dass Beihilfetäter bei ihnen hochgeladene Inhalte kapitalisieren, die andere bezahlt haben – dann wäre das unlauterer Wettbewerb.“ Die Klage zitiert dazu eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus 1996: Für das Höchstgericht war damals klar unlauter, "Leistungen eines anderen ohne Einsatz eigener Leistung, also ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffungsvorgang ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt zu übernehmen und den Konkurrenten auf diese Weise um die Früchte seiner Arbeit zu bringen“.

"Über Zerschlagung nachdenken"

Google beherrsche klar den Markt, wenn man bei Suchmaschinen überhaupt von einem Markt sprechen könne, sagt Breitenecker. "Dann muss sich dieser Marktbeherrscher und Fast-Monopolist zumindest an die Gesetze halten,  und wenn die Gesetze zu schwach sein sollten, müssten sie verstärkt werden.“ Und "wenn auch das nichts nützen würde, muss man die Diskussion weiterführen und über eine Zerschlagung von Google nachdenken, wie sie in Deutschland schon breit diskutiert wird." Google habe als größte Suchmaschine Youtube übernehmen können, die zweitgrößte Suchmaschine. Als "ultima ratio“ müssten Google und Youtube gezwungen werden, sich zu entflechten. Es wäre nicht das erste Mal, dass Konzerne dazu gezwungen wurden.

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Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Mehrmals spielt Breitenecker im Gespräch mit dem STANDARD auf Mathias Döpfner an, den Konzernchef des deutschen Medienriesen Springer. "Wir haben Angst vor Google“, erklärte Döpfner in einem offenen Brief an den US-Riesen in der "Frankfurter Allgemeinen“.

"Angst hilft nicht"

Der überaus selbstbewusste Wiener Fernsehmacher und -vermarkter scheut den Vergleich nicht: "Angst hilft nicht, wir müssen uns wehren gegen eine alles beherrschende Marktmacht, die durch monopolartige Ausdehnung jene Geschäftsmodelle konkret bedroht, die den finanziellen  Aufwand haben.“ Auch Springer klagt in diesen Tagen mit anderen Verlagen, und der ORF hat schon einen anderen Teilaspekt - Werbeblocker - vor die Wettbewerbsbehörde gebracht.

Letztlich müsse auch Google ein Interesse an fairen Bedingungen haben, findet Breitenecker: Wenn jene wegen Google pleite gehen, die Inhalte produzieren und finanzieren, könne auch Google sie nicht vermarkten. Klingt nach Bereitschaft zu einem Deal mit Youtube und Google, die TV-Inhalte ja mit der Präsentation auch promoten. "Wir sind gerne bereit, zu fairen Bedingungen mit den sehr innovativen Tech-Unternehmen Youtube und Google zusammenzuarbeiten“, sagt Breitenecker. "Wenn sie nicht mehr Urheberrechte verletzen und nicht das Wettbewerbsrecht brechen.“ (fid, derStandard.at, 26.06.2014)