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Ein Konzert kann die Lautstärke eines Düsenfliegerstarts haben - und das über mehrere Stunden.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Zweieinhalb Stunden dauerte das Gastspiel von US-Popsänger Prince Anfang Juni in der Wiener Stadthalle. Nicht alle Fans konnten es genießen: "Wir waren heilfroh, als es zu Ende war", kommentierten Konzertbesucher. Die Musik war so laut, dass noch am nächsten Tag ihre Ohren gedröhnt haben.

"Mit moderner Technik kann man heute bei Konzerten weit über 120 Dezibel erreichen", sagt Thomas Wiesner von Hansaton. Das ist so laut wie der Start eines Düsenflugzeugs. Schon Akutlautstärken, die über 100 Dezibel hinausgehen, beschädigen die Haarzellen im Innenohr, erklärt Andreas Lackner, HNO-Facharzt der Universitätsklinik Graz.

Das Dröhnen im Ohr nach einem lauten Konzert weist auf eine temporäre Schädigung der Haarzellen im Innenohr hin. Dieses Lärmtrauma äußert sich in einem vorübergehenden Hörverlust und einem Tinnitus. Nach einigen Stunden erholen sich die für das Hören zuständigen Sinneszellen aber meist wieder von selbst.

Wirkung der Therapie umstritten

Es kann aber auch länger dauern. Eigentlich sollte man, wenn es am Morgen danach noch immer dröhnt, schleunigst zum Arzt. "Schon ein einziges zu lautes Konzert kann bleibende Schäden verursachen", betont Lackner. Zwar würden Menschen nur sehr selten davon ertauben, häufig komme es aber zu Schädigungen von Frequenzen im Hochtonbereich.

Betroffenen verschreibt Lackner zuallererst Ruhe. Eine weitere Maßnahme ist eine Infusionstherapie, bei der durchblutungsfördernde Wirkstoffe wie Cortison und Magnesium das Innenohr anregen sollen. Zur Infusionstherapie gibt es unterschiedliche Meinungen. "Der Wirkungsnachweis ist sehr dürftig", räumt Martin Burian von der HNO-Abteilung der Barmherzigen Schwestern in Linz ein. "Wir sagen, dass es ein Versuch ist und dass eine Heilungsgarantie nicht gegeben ist", betont er. Er schätzt, dass sich das Gehör von 70 bis 80 Prozent der Betroffenen auch ohne Therapie erholt. Bei wem diese Spontanremission ohne Therapie eintritt, lasse sich aber nicht vorhersagen. 

Wenig Regelungen

Im beruflichen Umfeld ist Lärmbelastung heute sehr genau geregelt: Ab 85 Dezibel muss Gehörschutz getragen werden. Die berufsbedingte Schwerhörigkeit hat durch diese Maßnahme abgenommen, so Wiesner. Dafür sei die freizeitbedingte Schwerhörigkeit am Vormarsch.

Die Obergrenze bei Konzerten in der Stadthalle liegt bei 100 Dezibel - also der Lautstärke einer Motorsäge. Nach dem Prince-Konzert habe es nicht außergewöhnlich viele Beschwerden gegeben, heißt es vonseiten der Stadthalle. "Es war aber sicher ein lautes Konzert", räumt man ein.

Lärm ist subjektiv

Lärm ist subjektiv, betont Lackner. Was die einen als gerade richtig empfinden, ist für andere schon viel zu laut. Er rät dazu, möglichst viel Abstand zur Lärmquelle zu halten. Außerdem empfiehlt er Gehörschutz. Vor allem junge Menschen verzichten oft darauf. Das kritisiert auch Thomas Wiesner. Konzertveranstalter seien zwar verpflichtet, die Stöpsel zur Verfügung zu stellen: "Aber viele Besucher glauben noch immer: Wer Gehörschutz trägt, ist uncool."

Selbst mit den gratis Schaumstoffschützern sei man schon auf der sicheren Seite. Diese würden etwas weniger als 20 Dezibel dämmen: "Wenn man die konsequent trägt, ist eine Hörschädigung auszuschließen", so Wiesner. Musiker, DJs und notorische Konzertbesucher greifen aber oft tiefer in die Tasche und lassen sich den Gehörschutz ans eigene Ohr anpassen. Der Vorteil: eine lineare Dämpfung, es werden also alle Töne gleichmäßig herausgefiltert.

Laute Umwelt

In ihrem Ordinationen und Ambulanzen begegnen HNO-Ärzten zunehmend junge Menschen mit Hörproblemen. Das wird zum einen auf die lauter werdende Umwelt, zum anderen auf laute Konzerte zurückgeführt. "Und wenn jemand exzessiv laute Musik über Kopfhörer konsumiert, dann treten speziell im Hochtonbereich Hörschäden auf", so Lackner.

Burian warnt vor einem Summationseffekt - wer sich oft zu viel Lärm aussetzt, erleidet früher oder später einen irreversiblen Lärmschaden: "Irgendwann erholt sich das Gehör nicht mehr." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 30.6.2014)