Cambridge - "Haben die Neandertaler auch brav ihr Gemüse gegessen?" In bewährter angloamerikanischer Tradition, wissenschaftliche Fakten unverkrampft zu präsentieren, begleitet diese Frage eine nun in "PLOS ONE" veröffentlichte Studie des Massachusetts Institute of Technology. Und die Antwort darauf lautet: ja.
Als Beleg dient versteinerter Neandertaler-Kot, der aus der spanischen Fundstätte von El Salt stammt. MIT-Forscher suchten mittels Isotopenanalyse der bis zu 50.000 Jahre alten Proben nach Biomarkern für verschiedene Nahrungsmittel. Diese Untersuchung war aber breiter angelegt als frühere, die sich primär auf Coprostanol konzentrierten, das bei der Verdauung von Cholesterin entsteht: Eine Einschränkung, die im Grunde bereits von einer vorgefassten Meinung über die Neandertaler als reine Fleischesser ausgeht.
Zwei gar nicht so unteschiedliche Spezies
Für die neue Studie wurde hingegen auch untersucht, in welchem Ausmaß 5ß-Stigmastanol in den Kotproben enthalten war, das als Hinweis auf pflanzliche Kost gewertet werden kann. Das Ergebnis: Fleisch war die Hauptnahrung dieser Neandertalerpopulation, doch bildeten auch pflanzliche Beilagen einen Menü-Fixpunkt. Zahnsteinanalysen hatten auf diese Möglichkeit schon früher hingewiesen.
Lange Zeit wurden die Neandertaler als reine Großwildjäger und Fleischesser angesehen - und somit als dem flexibleren Homo sapiens unterlegen, der auch kleine Tiere jagte, Fische fing und Pflanzen sammelte. Es wurde sogar gemutmaßt, dass die angebliche Inflexibilität des Neandertalers bei der Nahrungssuche zu seinem Aussterben beigetragen haben könnte. Stattdessen zeigte sich nun einmal mehr, dass unser Verwandter uns viel ähnlicher war, als man früher gedacht hatte. (jdo, DER STANDARD, 26.6.2014)