Bagdad - Wer nach den Gründen für den dramatisch schnellen Vormarsch der Jihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien/Levante (ISIS) sucht, landet schnell beim Geld. Das riesige Vermögen der Extremisten, das andere Rebellengruppen vor Neid blass werden lässt, ist nach Ansicht von Experten ein wichtiger Schüssel ihres Erfolgs in Syrien und im Irak.

Allein bei der Eroberung der Großstadt Mossul am 10. Juni soll sich die Gruppe ein Bargeldvermögen gesichert haben, das ihre Finanzierung auf lange Zeit garantiert. "Das war ein wahnsinniger Zahltag", sagt der Irak-Experte Toby Dodge von der London School of Economics.

Neben Waffen, Fahrzeugen und anderer Ausrüstung, welche die irakischen Soldaten auf der Flucht vor den Jihadisten zurückließen, brachten die ISIS-Kämpfer auch die Banken der Stadt unter ihre Kontrolle. Zwar variieren die Angaben zu dem erbeuteten Geld, nach Angaben des Provinzratsvorsitzenden Bashar Kiki befanden sich aber Bargeldvorräte von rund 300 Millionen Euro in den Tresoren der Geldhäuser.

"ISIS war bereits vor der Einnahme von Mossul eine reiche Organisation", sagt Charles Lister vom Brookings Doha Institute. Verschiedenen Quellen zufolge trieb die Gruppe in der Millionenstadt monatlich bis zu neun Millionen Euro ein. Nun kann sie zudem "Steuern" von den Einwohnern erheben oder Geld aus Immobilienverkäufen ziehen. Abgesehen von Spenden reicher Privatleute in Saudi-Arabien und den Golfstaaten zieht ISIS ihr Geld sonst vor allem durch das Eintreiben von Schutzgeld und Entführungen zur Erpressung von Lösegeld.

"ISIS hat eine lange Geschichte, Geld durch kriminelle Unternehmungen einzutreiben", sagt Matthew Levitt, Terrorismus-Experte am Washington Institute for Near East Policy. Der frühere Mitarbeiter des US-Finanzministeriums erwartet zwar, dass die Erfolge der Extremisten nicht von Dauer sein werden. Doch sei ihre Fähigkeit einmalig, "Territorium, zentrale Infrastruktur und natürliche Ressourcen" zu kontrollieren. In Syrien, wo ISIS Teile der ölreichen Provinz Deir al-Zor (Deir Ezzor) hält, hat die Gruppe sogar Gewinn aus den Ölverkäufen ziehen können.

Experten sind seit längerem beunruhigt, dass es immer schwieriger wird, die Finanzierung von Extremisten zu beschneiden, wenn diese sich vor Ort Geld beschaffen. "Wenn Terroristen kein Geld mehr bewegen müssen, können sie wichtige internationale Kontrolle vermeiden", sagte im April der für Terrorismus zuständige Staatssekretär im US-Finanzministerium, David Cohen. Er verwies aber auch darauf, dass kriminelle Aktivitäten wie Schutzgelderpressung in der Bevölkerung für Unmut sorgten und den Rückhalt für diese Gruppen untergrüben.

Dank ihres Vermögen ist der Nachschub für ISIS mit Waffen, Munition und Fahrzeugen auf längere Zeit gesichert. Zudem dürften ihr die Geldreserven erlauben, die Loyalität der eigenen Kämpfer zu sichern wie auch die Unterstützung anderer Milizen zu kaufen. Doch Geld ist nicht alles: In Syrien hatten viele Rebellen begrüßt, dass die Gruppe wertvolle Waffen für den Kampf gegen die Regierung brachte. Als ISIS Abweichler aber brutal zu verfolgen begann, kam es zum Bruch. Inzwischen hat die Gruppe in Syrien wieder an Boden verloren.  (APA, 24.6.2014)