Wien - Die Eilmeldung überraschte in der an Überraschungen nicht gerade armen Burgtheater-Causa dann doch: Georg Springer (68), seit 1999 Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GesmbH., legte am Tag vor Prozessauftakt seine Funktion mit Ende der Spielzeit zurück. Er habe diese Entscheidung am Fronleichnamstag "allein und aus freien Stücken" getroffen, "um eine Versachlichung der Diskussion um die Bundestheater-Holding zu ermöglichen", ließ er in einer Aussendung wissen. Am Freitag habe er Bundesminister Josef Ostermayer informiert "und über das Wochenende die nötigen Vorbereitungen" für seinen Rücktritt getroffen.
Der Geschäftsführervertrag werde mit 30. Juni einvernehmlich aufgelöst, anschließend werde er in den Ruhestand treten. Springers Aufgaben wird vorübergehend sein Stellvertreter Othmar Stoss übernehmen. Der Prozess zur angekündigten Strukturreform der Holding solle "zügig fortgesetzt" werden, fordert Ostermayer in einer Aussendung, in der er die Entscheidung Springers als "großen Schritt" würdigt: "Ich danke ihm für seine Arbeit in den letzten Monaten, die zur Beseitigung der vergangenen Krise im Burgtheater beigetragen hat." Die Turbulenzen begannen, als die "kreative" Finanzgebarung der kaufmännischen Direktorin Silvia Stantejsky zu deren Entlassung und in weiterer Folge zur Fristlosen des künstlerischen Direktors Matthias Hartmann führte.
Seither wird darüber gestritten, wer was wann gewusst haben sollte oder eben nicht gewusst haben wollte, was hätte verhindert werden können oder, genauer gesagt, verhindert werden müssen - von Hartmann und/oder Springer. Heute, Dienstag, wird am Arbeits- und Sozialgericht Wien jene Klage verhandelt, die der entlassene vormalige Direktor gegen seinen Exarbeitgeber anstrengt. Er fordert die Erfüllung seines Vertrags, der bis Ende August 2019 abgeschlossen wurde. Die Entlassung bekämpft er als "unberechtigt" und "unwirksam". Zur Erinnerung: Hartmann wurde 2006 in der Ära Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) unter Kunststaatssekretär Franz Morak designiert und für 2009 bis 2014 zum künstlerischen Geschäftsführer ernannt. SP-Kulturministerin Claudia Schmied verlängerte seinen Vertrag.
Springer schwer belastet
Dessen Modalitäten sind Thema in einem Gutachten der Kanzlei Dorda Brugger Jordis, das auch Springer schwer belastet. Es diente als Basis für Hartmanns Entlassung. Die Juristen haben darin auch geprüft, unter welchen Umständen man Hartmanns Dienstverhältnis (abseits einer Entlassung) vorzeitig beenden hätte können. Ihr Schluss: Bei der Vertragsgestaltung seitens des Burgtheaters bzw. der Bundestheaterholding unter Springer seien Fehler gemacht worden. Die Burgtheater GmbH - vertreten durch die Holding - habe "keinerlei Kündigungsmöglichkeit" für Hartmanns Vertrag vorgesehen, obwohl Stellenbesetzungsgesetz und Vertragsschablonenverordnung des Bundes dies vorgeschrieben haben.
"Hätte die Burg mit Hartmann" einen vorschriftsmäßigen Vertrag geschlossen, "so würde sich die Frage einer allfälligen fünfjährigen Vertragserfüllung trotz Abberufung gar nicht stellen", schreiben die Juristen. Die Burg hätte Hartmann dann aus wichtigem Grund abberufen können, er hätte diesfalls nur Anspruch auf sein Entgelt bis Ende der Spielzeit 2014/15 im August 2015 gehabt.
Mit anderen Worten: Sollte die Entlassung (für die ja ganz strenge Maßstäbe gelten) nicht halten, muss die Burg Hartmann bis Ende August 2019 bezahlen; bei einer Kündigung "aus anderem wichtigem Grund" wären es um vier Jahre weniger gewesen. Hartmann fordert knapp zwei Millionen Euro.
Die Frage, wer für den Fehler haftbar ist, wer also dafür zahlen muss, wird in der Expertise so beantwortet: Die "konkrete Vertragsgestaltung" sei einst auf Basis von "Vorgaben von Staatssekretär Franz Morak erfolgt", das müsse man aber "gegebenenfalls" noch näher prüfen. "Andernfalls" könnte man "nach derzeitigem Informationsstand" Springer zivilrechtlich dafür haftbar machen, dass er den 2006 abgeschlossenen Vertrag "insofern rechtswidrig umgesetzt hat". Der Vertrag war dem Holding-Chef notabene vom Ministerium vorgegeben worden.
Am Freitag wird dann erneut vor dem Arbeitsgericht verhandelt: die Klage der Burg gegen Hartmann, in der sie die Vertragsverlängerung wegen Irrtums anficht. Hätte man die "chaotische finanzielle Gebarung" durch Ex-Burg-Managerin Silvia Stantejsky mitsamt der "mangelhaften Kontrolle durch Hartmann" gekannt, hätte man den Vertrag nicht verlängert, lautet das Argumentarium dafür im Gutachten.
Was die bilanziellen Abschreibungen von nicht mehr gespielten Produktionen betrifft, finden sich im Gerichtsakt plastische Mails. Am 17. Juni 2010 etwa verschickte eine Burg-Mitarbeiterin aus der technischen Abteilung nach einer Besprechung mit Stantejsky eine Mail unter dem Betreff "Skartierungen - inoffiziell". Sie zählte darin acht Stücke auf, die "entsorgt werden können, aber abschreibungstechnisch aktiv bleiben. Das heißt, es darf von den Werkstätten keine Rechnung gestellt werden." Die Adressaten in Akademietheater und Kasino wurden aufgefordert, sich mit ihrem Burg-Kollegen abzusprechen, "damit die Handhabung 'inoffizieller' Skartierungen bei ihnen gleich abläuft!!" (Renate Graber, Andrea Schurian, DER STANDARD, 24.6.2014)