Dietrich Mateschitz ist zweifellos einer der (Be)herrscher der modernen Gesellschaft - über Landesgrenzen und ethnische Hürden hinweg, vergleichbar mit ökonomischen und technischen Magnaten wie Bill Gates, Jeff Bezos, Eric Schmidt. Red Bull ist eine Weltmarke wie Google, Amazon, Apple oder Microsoft, im Getränkemarkt wie Coca-Cola, das sich nie in einer Person verkörpert hat.

Ist Mateschitz auch ein Oligarch? Diese Frage wird oft gestellt, weil schwer fassbarer Reichtum auch mit Macht verbunden ist. Und weil sie am Vorabend des Besuchs des Überoligarchen Wladimir Putin in Wien aktuell ist.

Russland und die Ukraine sind Oligarchien hinter der Fassade einer parlamentarischen Demokratie, sie sind eine Herrschaft der wenigen, der Milliardäre. Die geben ihren (selten nur geografischen) Territorien kraft Reichtum und Macht je eigene Gesetze. In Russland ist es darüber hinaus eine vom Alleinherrscher Putin geliehene Macht. Ausgeübt über Öl- und Gasgeschäfte, Stahl- und Waffendeals, Drogen(=Wodka-) Produktion. Schokolade im Falle des neuen ukrainischen Präsidenten Poroschenko.

Der moderne, seit dem Fall der Sowjetunion in den 90er-Jahren durch Eroberung des vormals kommunistischen Vermögens entstandene Oligarch ist gleichzeitig ein politisches Produkt östlicher Systeme. Seine dominante Eigenschaft ist der Eigennutz. Der Teufel meidet das Weihwasser, der Oligarch besprengt sich damit und taucht, wann immer er kann, in den Nebel des russisch-orthodoxen Weihrauchs oder des türkischen Dampfbads.

Deshalb geht Mateschitz auch nicht ohne Anfeindungen über die Bühne des Spielberger Rings. Von den Farblieferungen für neu gestrichene Fohnsdorfer Zäune bis zu Ziegelsubventionen für Zeltweger Dächer reicht die Geldspritzmaschine des Magnaten.

Stimmt, was die Frankfurter Allgemeine Zeitung kürzlich schrieb? "Manch einem gefällt die Art und Weise nicht, wie Mateschitz die Dinge regelt. Sogar von nordkoreanischen Verhältnissen war die Rede.

Dietrich Mateschitz ist zweifellos ein Magnat, dessen ökonomische Macht ihm Türen öffnet - im Sport, im Marketing, bei der Steuerung sogenannter "Umweltverträglichkeitsprüfungen". Doch was er bisher im Unterschied zu seinem Magnaten-Kollegen Stronach vermieden hat: die direkte Beeinflussung der Politik.

Im Unterschied zum italienischen Oligarchen Silvio Berlusconi hat er auch seine medialen Möglichkeiten moderat (wenngleich im Innenregime durchaus hart) eingesetzt. Sein TV-Sender Servus ist sogar eine erfreuliche, qualitativ hochstehende Innovation.

Spannend, würde Mateschitz tun, was ihm viele zutrauen - eine Tageszeitung zu erwerben oder neu zu gründen. Nach seiner bisherigen Praxis wären Servus print und online sicherlich kein zusätzliches Österreich.

Macht wirkt verführerisch. Aber bisher hat es Mateschitz (allem Augenschein nach) geschafft, sich vom Drang zur Umsetzung politischer "Wahrheit" (Frank Stronach) fernzuhalten. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 23.6.2014)