Dass Österreich als einziges EU-Land Wladimir Putin seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim mit staatlichen Ehren empfängt, ist zurecht umstritten. Allerdings kann es auch positiv sein, wenn westliche Politiker in dieser heißen Phase des diplomatischen Tauziehens über die Zukunft der Ostukraine etwas Einblick in die Denkweise des russischen Präsidenten gewinnen.

Aber das heißt nicht, dass Österreich dem Kriegsherrn Putin einen politischen Erfolg liefern muss. Und das wäre der Fall, wenn es tatsächlich zur Unterzeichnung des Abkommens über die Errichtung der South-Stream-Pipeline käme, wie das zumindest in Moskau angekündet wurde.

Vom Schwarzen Meer nach Österreich

South Stream ist ein Milliardenprojekt, mit dem Erdgas von Russland über das Schwarze Meer und Bulgarien bis nach Ostösterreich gepumpt werden soll. Russland will damit die Ukraine umschiffen, über die derzeit der Großteil des russischen Gases strömt.

Wenn South Stream in Betrieb geht, dann kann die Ukraine nicht mehr damit drohen, die Gaslieferungen nach Westeuropa zu kappen. Dass Kiew das tut, ist eher unwahrscheinlich. Vor allem aber könnte Russland die Gaszufuhr für die Ukraine abdrehen, ohne seine westlichen Kunden zu vergrämen. Dieses Szenario ist schon viel realistischer.

Für die OMV ist South Stream vor allem eines: ein gutes Geschäft. Deshalb ist es dem Management nicht zu verübeln, dass es nach der Pleite mit der Nabucco-Pipeline dieses Projekt enthusiastisch verfolgt.

Reputation im Westen ist wichtiger

Aber Österreich braucht South Stream nicht: Die Energieversorgung des Landes ist durch das bestehende Pipelinenetz gesichert. Und so wertvoll die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland auch für einige heimische Branchen sind - die Reputation Österreichs als verlässlicher Partner des Westens ist deutlich mehr wert.

Eine Unterzeichnung des South-Stream-Vertrags, während es in der Ostukraine brennt, wäre eine Ohrfeige für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der um westliche Solidarität fleht, und ein Bruch der gemeinsamen EU-Linie.

Die EU-Kommission kritisiert South Stream offiziell aus Wettbewerbsgründen wegen der Doppelrolle des Staatskonzerns Gasprom als Gaslieferant und Pipelinebetreiber - aber natürlich geht es ihr in erster Linie um die Politik. Österreich droht innerhalb der EU ins Lager der notorischen Putin-Versteher Bulgarien und Ungarn abzugleiten, die ebenfalls an South Stream beteiligt sind.

Staat kann bei der OMV eingreifen

Auch ohne eine direkte Beteiligung an der OMV könnte die Bundesregierung South Stream stoppen; als Kernaktionär fällt das dem Staat umso leichter. Dies ist ein Fall, bei dem Politik Vorrang haben muss vor dem Geschäft.

Und selbst die OMV sollte sich überlegen, ob sie jetzt ein Projekt vorantreiben soll, dass bei einer Verschärfung der weltpolitischen Lage zum Scheitern verurteilt wäre. Eine Verschiebung der South-Stream-Entscheidung wäre daher nicht nur das richtige Signal an Moskau, sondern auch wirtschaftlich höchst vernünftig. (Eric Frey, DER STANDARD, 23.6.2014)