Koalitionäre Klubchefs Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP): Verbote für Berichte über vertrauliche Dokumente sollen "abschreckende Wirkung" entfalten.

Wien - Scharfe Kritik provoziert ein Versuch von SPÖ und ÖVP, Medien die Berichterstattung über als geheim eingestufte Unterlagen zu verbieten. "Eine Einschränkung der Pressefreiheit" wittert Heinz Mayer, Dekan des Wiener Juridicums. Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, Aktivist von Transparency International, sagt: "Das wäre eine Radikalmaßnahme, die einen Rückschritt ins 19. Jahrhundert darstellt."

Die beiden Experten meinen damit jenes "Verwertungsverbot", das von der ÖVP gefordert und von der SPÖ zumindest erwogen wird: Medien dürften über bestimmte Unterlagen, die in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen für vertraulich erklärt werden, nicht mehr berichten.

Derzeit mache sich ein Journalist nur strafbar, wenn er einen Politiker zur Weitergabe von Unterlagen anstifte, die dieser von Gesetzes wegen vertraulich handhaben müsse, erläutert Mayer: Dies treffe auf Minister zu, die das Amtsgeheimnis wahren müssen, auf Abgeordnete aber lediglich in besonderen Fällen wie jenen Unterausschüssen im Parlament, die Aktivitäten der Geheimdienste kontrollieren.

Im Sinne der Meinungsfreiheit ist Mayer dagegen, die Verschwiegenheitspflichten für Abgeordnete auszuweiten. Wenn Medien überdies noch bestraft würden, wenn sie über Unterlagen berichteten, die ihnen ohne Anstiftung zugespielt würden, sei Willkür Tür und Tor geöffnet - schließlich ließen sich belastende Unterlagen von mächtiger Seite rasch für "geheim" erklären.

Ähnlich urteilt Fiedler. Ein Verbot für Medien, über zugespielte Informationen zu berichten, gebe der Politik jede Möglichkeit, "unbequeme Sachverhalte unter den Teppich zu kehren". Was er hingegen für sinnvoll hält: Engere Grenzen für Abgeordnete, was die Weitergabe von Dokumenten aus dem U-Ausschuss betrifft - anstiftende Journalisten wären davon dann auch betroffen.

"Unsinn und Widersinn"

Auch Rechtsanwalt und Medienrechtsexperte Thomas Höhne hielte es für einen "gefährlichen ersten Schritt", Medien generell zu verbieten, Informationen zu verwerten. Höhne hält es zwar für "richtig hält, dass es Infos gibt, die geheim sind". Nur müsste sich "ein Verbot gegen jene richten, die im Besitz der geheimen Unterlagen sind, also etwa U-Ausschussmitglieder, Beamte oder Polizisten - und nicht gegen die Medien."

Für Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) wäre es ein "Unsinn und Widersinn, Medien, wenn sie etwas in der Hand haben, einem Verwertungsverbot zu unterwerfen". Diese müssten "in Eigenverantwortung entscheiden, ob sie etwas bringen oder nicht, aber die Verantwortung liegt beim Informanten, der die geheime Information weitergibt". Was in U-Ausschüssen ablaufe, "soll auch veröffentlicht werden, und die Abgeordneten müssen dann dazu stehen, was sie weitergeben. Das muss logischerweise zur Aufhebung der Immunität führen", sagt Böhmdorfer zum STANDARD.

Auch die Vereinigung der Parlamentsredakteure warnt "vor einer Einschränkung der Berichterstattung" - von "wenigen gut begründeten und taxativ aufgezählten Ausnahmen abgesehen". Parlamentsberichterstatter dürften nicht kriminalisiert werden.

"Ich verstehe die Aufregung nicht", sagt ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka im Gespräch mit dem STANDARD. Von einem Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit sei keine Rede: "Wir wollen nicht mehr als das, was sich in Deutschland bewährt hat." Manche Informationen müssten eben geheim bleiben. Lopatka setzt dabei auch auf die "abschreckende Wirkung" : Es brauche klare strafrechtliche Konsequenzen für Medien, wenn diese der Geheimschutzordnung zuwiderhandeln. Einschränkungen der Transparenz nimmt er hin, wenn es um schützenswerte Interessen geht.

Nationales Interesse

Lopatka nennt ein Beispiel: Offenbar gibt es eine intensivere Zusammenarbeit des österreichischen Heeresnachrichtendienstes mit der NSA als bekannt. Lopatka: "Das soll untersucht werden und ist ein Fall für einen parlamentarischen Ausschuss, das muss aber ohne Öffentlichkeit erfolgen." Schließlich hätten die Amerikaner viele Informationen geliefert, mit deren Hilfe auch Anschläge in Europa verhindert werden konnten. "Da gibt es Interessen der österreichischen Bürger, die vor die Interessen der Medien, auch Ihrer Zeitung zu stellen sind."

Der ÖVP-Klubobmann bleibt dabei, dass die Umsetzung der Geheimschutzverordnung Bedingung für eine Reform des U-Ausschusses sei, doch für die Grünen ist genau das nicht akzeptabel: Sie sehen bereits die gesamte Reform des U-Ausschusses gefährdet. Montag verhandeln die Klubdirektoren, am Dienstag beschäftigt sich eine Sonderpräsidiale im Parlament mit dem Thema. (Gerald John, Lisa Nimmervoll, Michael Völker, DER STANDARD, 23.6.2014)