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Ein Premierminister, der polarisiert - auch die Jugend: Recep Tayyip Erdogan.

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Am Donnerstag teilte sich die türkische Community entlang der U1: Die, die ihn vergöttern, stiegen in Kagran aus. Wer gegen ihn demonstrieren wollte, verließ die U-Bahn bereits am Praterstern. Die Rede ist vom türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan, der auch fernab seiner Heimat polarisiert - natürlich auch die Jugend.

„Für junge Türken in Österreich ist es immer schwerer, die Kultur und Tradition hier anzunehmen, da sie Angst haben, ihre Identität zu verlieren“, meint die Schülerin Gizem Kaya: „Erdogan imponiert leider vielen Jugendlichen durch seine Rückbesinnung auf die Osmanen und die muslimischen Werte“.

Die 19-jährige Wienerin beschäftigt sich umfangreich mit den politischen Geschehnissen in der Türkei. Gerade für seine Bildungspolitik kritisiert Kaya den türkischen Premierminister: „In türkischen Schulen wird einem nur das vermittelt, was die Regierung in den Köpfen der Schüler haben möchte.“

"Er greift Probleme auf und weiß, was er tut"

Sie meint, dass es für Jugendliche nahezu unmöglich sei, eine kritische Haltung zu entwickeln, sobald die gesamte Familie für Erdogan einsteht: „ Da geht es ja nicht nur um seine Politik, sondern auch um die Kultur und die Religion, die er immer wieder anspricht. Das gefällt vielen Familien und gibt ihnen das Gefühl von Tradition.“

Das Zugehörigkeitsgefühl, das durch den Islam verstärkt wird, zeigte sich auch bei der Versammlung am Donnerstag vor der Albert-Schulz-Halle: Nahezu alle weiblichen Besucherinnen trugen ein Kopftuch, bei den Gegendemonstrantinnen war das Verhältnis genau umgekehrt.

Erdogan würde vor allem deshalb polarisieren, weil er Türken in ganz Europa anspricht, sagt ein 19-jähriger Schüler, der anonym bleiben möchte. „Er greift Probleme wie den Kurdenkonflikt auf, hat ein striktes Parteiprogramm und außerdem hat man das Gefühl, dass er weiß, was er tut.“ Viele würden Erdogan verehren, weil er das Land wirtschaftlich vorantreibt und modernisiert.

Wahlkampf mit zweifelhaften Erfolg

„In der Türkei wird es geschätzt, wenn jemand Durchsetzungsvermögen hat und auch einmal hart durchgreifen kann", sagt ein 17-jähriger Schüler, der ebenfalls anonym bleiben möchte. Seiner Meinung nach war der Grund für Erdogans Besuch reiner Wahlkampf, wenn auch ein erfolgloser: „Erdogan hat ohnehin ganz klare Anhänger, die ihn auch wählen würden, wenn er nicht kommen würde. Die anderen wählen ihn sowieso nicht. In Wien wird er keine neuen Wähler mobilisieren können“

Als gespaltet würde er die türkische Community in Österreich trotz allem nicht bezeichnen: „Erdogan-Anhänger und Kritiker kommen hier ganz gut miteinander aus.“ (derStandard.at, 22.6.2014)