Wien - Neue, skurrile Entwicklung in der Causa Burgtheater. Interimschefin Karin Bergmann hat nach ihrem (ersten) Ausscheiden aus dem Haus am Ring 2010 acht Monate weitergearbeitet und verdient. Zur Einordnung ein Rückblick: Bergmann war ab 1999 Vizedirektorin, nach der ersten Saison von Matthias Hartmann verließ sie die Burg im Sommer 2010. Die beiden verstanden einander nicht rasend gut. Das Arbeitsverhältnis der damals 57-Jährigen endete am 30. September 2010.
Doch statt ihre Abfertigung von 35.162,12 Euro (vier Monatsgehälter à 8790,53 Euro) zu kassieren, wurde dieser Betrag gesplittet. Bergmann bezog die folgenden acht Monate jeweils rund 4400 Euro - die sie laut ihrem Anwalt, Meinhard Novak, korrekt versteuerte, auch ASVG-Beiträge wurden abgeführt. Im Gegenzug habe Bergmann die kaufmännische Burg-Chefin, Sylvia Stantejsky, in künstlerischen Belangen beraten. "Sie hat das weitergemacht, was sie vorher getan hatte", so Novak. Ausgemacht habe das Bergmann, die über beste Kontakte zum Ensemble verfügt, mit Stantejsky.
Im Mai 2011 endeten die Zahlungen, am 1. April 2012 ging Bergmann in Pension. Warum sie die (steuerlich begünstigte Abfertigung) gegen ein steuerpflichtiges Gehalt getauscht hat? Novak: "Offensichtlich aus Verbundenheit zum Haus." Kunstminister Josef Ostermayer, Ex-Burg-Chef Hartmann, Bundestheaterholding-Chef Georg Springer wussten von alledem nichts, wie sie sagen.
Der Druck auf Springer in der Causa Burgtheater steigt. Wie sich nun herausstellt, beschäftigte sich die Holding schon vor Jahren mit Ungereimtheiten in der Burg, bei denen es etwa um die Abschreibungsmodalitäten von Produktionen ging. Bereits im März 2012 wurde die Frage einer Überschuldung diskutiert. Die Vorgeschichte: Burgchef Matthias Hartmann hat 2011 den Deutschen Peter Raddatz, damals Leiter der Berliner Opern-Holding, heute Geschäftsführer des Hamburger Schauspielhauses, engagiert, um sich von der unübersichtlichen finanziellen Lage des Theaters ein Bild zu machen.
Wie aus E-Mails zwischen Raddatz und Holding hervorgeht, wurden ihm die Recherchen nicht leicht gemacht. Allein bis er die aktuellen Berichte der Künstlerischen Betriebe von der Holding bekam, dauerte es drei Monate.
Liquiditätsengpass
Im März 2012 ging es bereits ums Eingemachte: um die Frage, ob die Burg überschuldet sei. Raddatz studierte damals den Jahresabschluss des Burgtheaters (Wirtschaftsprüfer: PriceWaterhouseCoopers; PwC) und hinterfragte am 2. März bei PwC Produktionswerte, Abschreibungen und Umbuchungen.
Als "Punkt 4.: Das Burgtheater leidet derzeit unter einer mangelnden Liquidität" schrieb er: "Welche Ursachen und Gründe werden von PwC dafür gesehen, und sieht die Prüfungsgesellschaft Probleme für die Burgtheater GmbH in Hinblick auf eine mögliche Überschuldung?"
Die Bundestheater-Holding wurde davon informiert, wie sich aus der Antwort von PwC an Raddatz erschließt: "Wir werden (...) die Fragen beantworten und zur Weiterleitung an Herrn Dr. Springer (...) schicken." Am 9. März urgierte Raddatz, am 11. März wurde er von PwC vertröstet: "Die Unterlagen werden zur Zeit bearbeitet und abgestimmt." Am 16. März bekamen Raddatz und Hartmann via Mail der Holding einen Teil ihrer Anfragen beantwortet.
Offen blieb die essenzielle Frage nach der Überschuldung. Zu der teilte PwC dem Berater Hartmanns am 22. März mit, sie könne "erst nach finaler Abstimmung mit dem Burgtheater freigegeben werden". Am 30. März vertröstete dann die Holding Raddatz: PwC könne "die Untersuchung über die Liquiditätsentwicklung erst nächste Woche, am 5. April, vorlegen", heißt es in der Mail.
Am 19. April 2012 war es dann so weit: Bei einem Termin in Wien besprachen u. a. Springer, Stantejsky, die Wirtschaftsprüferin von PwC, Hartmann und Raddatz die (unerfreuliche) Liquiditätslage. Der Grund dafür, so Springer und PwC: Die Produktionskosten seien zu hoch geworden. Raddatz zum Standard: "Damals hat das gestimmt, aber im Herbst 2013 sind wir draufgekommen, dass die Produktionskosten buchhalterisch aufgebläht worden sind."
Im Februar 2013 trat Stantejsky als kaufmännische Chefin zurück; Ende 2013 wurde sie entlassen, Hartmann im heurigen Frühjahr. Das Jahr 2012/13 beendete die Burg mit einem Verlust von 20 Millionen Euro. (Renate Graber, DER STANDARD, 21.6.2014)