Bei steigenden Niveaus werden sich Entwickler immer genauer überlegen müssen, wie und wo eine Einzel- oder Mehrspielerimplementierung Sinn ergibt und, ob sich vielleicht nicht alles in eine offene Spielwelt verstricken lässt.

Foto: Sony/"Uncharted 4"

Wenn es seit einigen Jahren einen anhaltenden Trend in der Videospielbranche gibt, dann ist es die Öffnung von Spielwelten. Einst noch als eigenes Genre gehandelt, hält das Open-World-Konzept heute in praktisch jeder Spielart Einzug. "Grand Theft Auto" und "Minecraft" treiben die Idee als Spielplätze und Sandkästen auf die Spitze, aber auch spezialisiertere Werke lösen zunehmend Levelbarrieren auf. Bungies kommender Sci-Fi-Shooter "Destiny" ist ein hervorragendes Beispiel dafür, genauso wie Rennspiele vom Schlage "Forza Horizon 2" oder das postapokalyptische Actionspektakel "The Division".

Keine Kästchen mehr

Dabei geht es nicht nur um die Aufhebung unsichtbarer Grenzen und Levelbeschränkungen und darum, dass man sich aussuchen kann, wie man spielt und welche Orte man zuerst bereist. Ebenso wichtig ist der Paradigmenwechsel bei der Frage, mit wem und was man alleine oder gemeinsam erleben kann.

Gab es zunächst dedizierte Singleplayer- und Multiplayer-Games, machte es sich die stark durch Marketing-Checklisten getriebene Spielindustrie zum Brauch, jedes Werk mit Modi für beide Erfahrungen auszustatten. Plötzlich erschienen selbst klassische Einzelspielerabenteuer wie "Uncharted" mit einem (zugegeben gelungenen) kompetitiven Bewerb und typische Mehrspielerlieblinge wie "Battlefield" mit einer (ganz ehrlich eher schlechten) Kampagne.

Mit dem Hang zu Open-World-Spielen ist heute ein subversiverer Ansatz zu vernehmen: Spiele können sowohl alleine als auch zu mehrt angegangen werden.

Vorreiter

Die Idee ist, dass man virtuelle Welten und Geschichten dann gemeinsam entdeckt, wenn man die Zeit dafür findet, aber dafür nicht etwa durch den Wechsel in einen anderen Modus gezwungen wird, aus dem Kernerlebnis auszusteigen. Vorreiter in diesem Bereich ist unter anderem die "Dark Souls"-Reihe. 2014 stechen insbesondere zwei Titel hervor: Das oben genannte "Destiny", das Spieler jederzeit gemeinsam die Menschheit retten lässt, und der Höllentrip "Far Cry 4", das die Weiten des Himalaya-Gebirges der kooperativen Unterhaltung öffnet.

Dass sich die Branche langsam aber sicher vom starren Modi-Denken abwendet, davon ist auch "Far Cry 4"-Kreativdirektor Alexander Hutchinson überzeugt. "Wir arbeiten hart daran, dieses Modell aufzubrechen. Ich glaube nicht an Modi. Ich halte nichts davon, dass man ein Spiel startet und dann zwischen Singleplayer, Co-op und Multiplayer wählen muss. Das wird es noch eine Zeit lang geben, bis alles zusammengefügt wird und man das Spiel so spielen kann, wie man es möchte", sagte Hutchinson in einem Gespräch mit dem GameStandard auf der E3. "Ich hoffe, dass dies dann das Ende der Modi bedeutet. Denn sie sind dämlich. Mit der Kreierung von einzelnen Modi beschränkt man sein Zielpublikum. Dann kaufen es die Leute nämlich nur für die eine oder andere Sache und probieren den Rest gar nicht aus."

Diversifizierung

Dies bedeute allerdings nicht, dass Open-World künftig alle anderen Spielformen verdrängen wird. Im Gegenteil: Anstelle dessen würden sich Hersteller wieder mehr auf einzelne Konzepte fokussieren. Dieses Jahr bereits gezeigt haben das beispielsweise der reine Mehrspieler-Shooter "Titanfall" und die reine Einzelspieler-Dystopie "Wolfenstein: The New Order".

Eine Spezialisierung, die auch durch die steigenden Kosten und den steigendenden Anspruch der Konsumenten bedingt ist. Heute eine mittelklassige Kampagne und einen durchschnittlichen Multiplayer-Modus abzuliefern, reicht nicht mehr, um Spielerherzen für sich gewinnen zu können. "Wenn du eine Geschichte erzählen möchtest und auf Zwischensequenzen setzt, musst du dich ins Zeug legen. Du musst großartige Schauspieler engagieren und Millionen investieren", meint Hutchinson. Beides auf Blockbuster-Niveau zu bringen, werden sich langfristig wohl nur die ganz großen Franchises leisten können. Activision leistet sich für das kommende "Call of Duty: Advanced Warfare" als Bösewicht niemand geringeren als Hollywood-Star Kevin Spacey. Die Latte wird immer höher gelegt.

Weniger Wollmilchsäue

Die Konsequenz ist ein potenzieller Gewinn für die Spieler, deren Aussicht auf fokussiert entwickelte Games besser wird. Bei steigenden Niveaus werden sich Entwickler immer genauer überlegen müssen, wie und wo eine Einzel- oder Mehrspielerimplementierung Sinn ergibt und, ob sich vielleicht nicht alles in eine offene Spielwelt verstricken lässt.

Nicht mehr einfach alles auf eine Disc zu pressen, sondern große Geschichten und spielerische Entscheidungsfreiheit durch nahtlose Übergänge mit einander zu verbinden, ist der neue heilige Gral der Spielewelt. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 21.6.2014)