In der einschlägigen Fachliteratur werden bisweilen zwei Erklärungsmodelle für Karriereaufstiege (und diesbezügliche Unterschiede zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen) angeführt. Einerseits das sogenannte "Contest-Mobility"-System. Hier stehen die beobachtbaren Qualifikationen und Leistungen und der berufliche "Track-Record" im Vordergrund. Andererseits das "Sponsored Mobility"-System, bei dem in erster Linie der richtige Stallgeruch und die Einbindung in entsprechend einflussreiche Netzwerke für das Erreichen attraktiver Positionen zählen.

Seit einigen Jahren lässt sich in manchen Bereichen und insbesondere für frühe Karrierephasen eine weitere Spielart von Karrieremobilität beobachten, bei der der fehlende Stallgeruch des Karriereaspiranten durch finanziellen Einsatz wieder wettgemacht werden soll.

Tausende Euro für den Fuß in der Türe

Gleichsam als nächste Entwicklungsstufe der umstrittenen und in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit besonders "populären" unbezahlten Praktika, bei denen der gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsfokus oftmals nirgends auch nur annähernd so klar erkennbar ist wie in den Aussendungen und Stellungnahmen der betreffenden Unternehmen, werden hier mehrere Tausend Euro bezahlt, um in einem bestimmten Bereich mit vermeintlich attraktiven Karriereaussichten einen Fuß in die Türe zu bekommen.

Im Wettstreit um begehrte Praktikumsplätze gibt es in den USA mittlerweile Anbieter, die denjenigen Studenten, die nicht von sich aus über die nötigen Kontakte verfügen, gegen entsprechende Bezahlung ein (seinerseits oft unbezahltes) Praktikum in begehrten Branchen verschaffen. Derartige Arrangements, wo sich Anwärter "einkaufen" und damit potenziell besser qualifizierte und erfahrenere Kandidaten ausstechen, sind beispielsweise auch in der Passagierluftfahrt verbreitet und entsprechend kontrovers diskutiert.

Gutes Geschäft für Unternehmen

Für die Unternehmen ist dieser Trend potenziell ein gutes Geschäft bzw. eine Maßnahme zur Kostensenkung. Für die Betroffenen (bzw. oft auch deren Eltern) weniger: Oftmals verschulden sie sich in der Hoffnung auf einen späteren Erlös, der sich durchaus nicht immer realisiert.

Auch auf gesellschaftlicher Ebene gehen damit einige fragwürdige Konsequenzen einher: Die (materielle) Spaltung zwischen den gesellschaftlichen Schichten wird nicht nur perpetuiert, sondern vertieft: Je weniger vermögend (und somit meist auch in die richtigen Kreise eingebettet), umso höher ist der Druck, eine beträchtliche Summe Geld für die eigenen Karriereperspektiven einzusetzen. Zwischen den Beschäftigtengruppen wird Lagerdenken statt Solidarität begünstigt.

Last, but not least: In dem Ausmaß, in dem das Modell "Barzahlung für die eigene Karriere" den zahlungsbereiten Aspiranten Erfolg gegenüber denjenigen verschafft, die diesen finanziellen Einsatz verweigern, triumphieren Haben und Besitz gegenüber Können und Leistung, was in der vielzitierten Leistungsgesellschaft, deren Wohlergehen bekanntlich eng mit dem Wohlergehen der Leistungsträger verknüpft (wenn nicht gar mit diesem ident) ist, möglicherweise nicht einer gewissen Ironie entbehrt. (Michael Schiffinger, DER STANDARD, 21.6.2014)