Wenn Erdogan wieder weg ist, was bleibt dann zurück in Wien und Österreich? Rund 280.000 Menschen türkischer Abstammung, die er gern als "Kardes" (jüngere Geschwister) anspricht - was schon eine klare patriarchalisch-autoritäre Note hat - und von denen viele ihn als "älteren Bruder", "Meister" oder "Führer" sehen.

Er hat jedenfalls keine Angst vor kühnen historischen Analogien, sein Publikum in Wien sprach er als "Enkel von Kara Mustafa" an - jenem Feldherrn, der bis Wien kam und dort wegen seiner Sturheit und Arroganz eine schmähliche Niederlage erlitt. Am Ende stand die seidene Schnur. Ein Vorbild?

Wenn er wieder weg ist aus Wien, dann bleiben diese national-religiösen Gruppen zurück. Für Erdogan gilt das Prinzip "Einmal Türke, immer Türke" (wobei von den 280.000 Türkischstämmigen etwa 115.000 die österreichische Staatsbürgerschaft haben). Er fordert sie alle zusammen auf, sich zu integrieren, aber ja nicht zu "assimilieren". Nach diesem Prinzip hätten sich die Pospischils, Horvaths, Kowalskis, Rossis, Vucics usw. hierzulande niemals als Österreicher fühlen dürfen.

Erdogans Anspruch steht insofern auf schwachen Füßen, als es hier viele Kurden und Aleviten gibt, dazu liberale Türken, die mit ihm nicht viel anfangen können. Zweitens assimiliert sich die dritte Generation trotz allem doch. Aber es bleibt ein genügend großer Kern (männlicher) National-Religiöser, mit denen es manchmal schwierig werden könnte. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 20.6.2014)