Thomas (links, Max Simonischek) und Felix (Henry Hübchen) auf dem Weg Richtung Wahrheit.

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Wien - Alles dreht sich in dieser Geschichte. Und alles dreht sich um sie. Seinen Anfang nimmt der auf Markus Werners Roman Am Hang basierende Film allerdings auf der Terrasse eines gediegenen Hotel Bellevue oder Bellavista an irgendeinem Lago im Tessin, wo sich zwei Männer essend an einem Tisch gegenübersitzen.

Den Älteren, von Henry Hübchen gespielten Cellisten Felix rüstig zu nennen würde es nicht treffen. Denn dazu ist der Mittsechziger mit dem widerspenstigen grauen Schopf zu agil, zu unruhig, zu wenig angekommen auch. Was man von seinem Gegenüber, dem gut dreißig Jahre jüngeren Thomas (Max Simonischek), nicht behaupten kann. Er ist Anwalt und passt mit dem gescheitelten, rabenschwarz glänzenden Haar sowie seiner glatten, zynischen und pragmatischen Art gut ins Klischee jener Jünger der Jurisprudenz, die laut Montaigne den Zank und Zwist erst gebären, den sie zu schlichten vorgeben.

Gekommen sind die beiden von der anderen, nördlichen Seite der Alpen, der eine, der Ältere ist da, um seiner Frau zu gedenken, die er hier vor einem Jahr verloren hat. Der andere will in seinem Ferienhaus einen Artikel über Scheidungsrecht schreiben. Und schon die erste Szene des Films, in der Felix sich vor einen Zug werfen will und von Thomas zurückgehalten wird, weist - etwas plakativ allerdings - auf die existenzielle Dimension dieses Zusammentreffens zweier Männer hin, die der Zufall auf der Hotelterrasse abermals zusammengeführt.

Über besagten Artikel, den Thomas schreiben soll, kommt das Gespräch auf Gott und die Welt, vor allem auf die Themen Ehe, Liebe, Treue. Für Felix war die Ehe "Heimat", für Thomas ein zu vermeidendes Ritual, ihn interessiert der Rausch der Sinne, die Abwechslung. Zwei Zeilen aus dem Hesse-GedichtStufen, in dem auch vom Zauber der Anfänge die Rede ist, sind es, die die Handlung in eine andere Richtung lenken.

Denn mit Felix, dem die von seiner Frau geschriebenen Zeilen in die Hände fallen, weiß der Zuschauer nun, dass es sich bei der Geliebten, die der junge Anwalt hier vor einem Jahr sitzenließ und der Gattin des Musikers um ein und dieselbe Person handelt. Und nach und nach dämmert es dem Cellisten, dass er einem Nebenbuhler gegenübersitzt, von dem er nichts wusste. Hier kommt nun die von Martina Gedeck wunderbar kühl, entrückt und doch entschlossen gezeigte Valerie ins Spiel. Um diese Frau dreht sich nach einem Drittel des Filmes alles, wobei das Bild, das sich die beiden Männer von ihr machen, kaum Überschneidungen zeigt.

Sofort oder für immer

Nicht auf einer staubigen Straße in einem Kaff im Westen treffen hier also zwei Kontrahenten aufeinander, sondern an einem Hoteltisch in der Schweiz. Wobei absehbar ist, dass der Revolver, mit dem Felix im Hotelzimmer Russisches Roulette spielt, irgendwann losgehen wird.

Der Schweizer Regisseur Markus Imboden hat seine Romanadaption als filmisches Kammerspiel angelegt. Zwei jeweils circa zwanzig Minuten lange Gespräche zwischen Felix und Thomas bilden das Gerüst des Films, was auch schauspielerisch eine Herausforderung darstellt. Max Simonischek scheint sich in dieser Konstellation anfänglich wohler zu fühlen als Henry Hübchen, dem man diesen im Buch in jeder Hinsicht schweren Mann nicht richtig abnimmt.

Zu kurz kommen im Film auch die in Markus Werners empfehlenswertem Roman aus dem Jahr 2004 viel Platz einnehmenden Reflexionen, die Felix über den Zeitgeist und die Überforderungsgesellschaft anstellt. Im Film wird dieser von der Welt und der Liebe erschütterte Mann als ein von Eifersucht zerfressener Egomane gezeigt. Im Gegensatz zu Thomas, der alles sofort will, möchte es Felix für immer. Beide Positionen, das Leben lehrt es, sind schwer verwirklichbar. (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 20.6.2014)