"Wenn man von oben auf die Erde schaut, gibt es keine Grenzen." Alvin Drew gab bei seinem Vortrag im Naturhistorischen Museum in Wien Einblick in seine All-Erfahrungen.

Foto: Schumacher/NHM

Wien - Als Alvin Drew vier Jahre alt war und am Flughafen die Maschinen beim Abheben beobachtete, beschloss er, Pilot zu werden. "Es war, als ob ich zum ersten Mal Dinosaurier sehen würde." 1968 verfolgte er als Erstklässler in der Schule den Start von Apollo 7 - dem ersten bemannten Raumschiff des Apollo-Programms. "Bis dahin hielt ich die Leute, die über den Himmel hinaus fliegen wollen, für verrückt", erzählt Drew. Im darauffolgenden Juli war es so weit: Apollo 11 landete auf dem Mond. Der damals Sechsjährige fragte seinen Vater: "Was kostet es mich, da hinaufzufliegen?" Der antwortete: "Wenn du Astronaut wirst, bezahlen sie dich dafür."

Heute ist Alvin "Al" Drew 51 und blickt auf eine steile Karriere als Pilot und Nasa-Astronaut zurück. Am Montag gab der pensionierte Airforce Colonel bei einem Vortrag zu bemannter Raumfahrt im Naturhistorischen Museum in Wien Einblicke in seine Erfahrungen, am Dienstag sprach er beim Treffen des UN-Komitees für die friedliche Nutzung des Weltalls. Anlass war der 45. Jahrestag der ersten Mondlandung.

Charakter statt Hautfarbe

Um seinen Traum vom Fliegen zu erfüllen, ging Drew mit 17 auf die Air Force Academy in Colorado Springs und verließ sie mit einem Abschluss in Raumfahrttechnik und einem in Physik. "Die beste Erfahrung war, dass es keinen kümmerte, welche Hautfarbe oder welche Religion ich hatte. Es ging nur um Charakter und um Kompetenz", sagte er später. In der Folge nahm Drew als Rettungshubschrauberpilot an einer Reihe von Kriegseinsätzen teil: der US-Invasion in Panama, im zweiten Golfkrieg und im Nordirak. Ab 1992 war er als Flugzeug- und Testpiloten tätig, 2000 wurde er von der Nasa als Astronautenanwärter ausgewählt.

2007 absolvierte Drew seinen ersten Raumflug im Space Shuttle Endeavour zur Internationalen Raumstation ISS, 2011 war er an Bord der Discovery, als sie ihren letzten Einsatz ins All flog. Bei dieser Mission unternahm er zwei Außenbordeinsätze. "Das Kabel, das einen mit der Station verbindet, ist immer im Weg", erzählt Drew im Standard-Gespräch. Trotz seiner Höhenflüge wirkt er kein bisschen abgehoben.

Grenzenlose Perspektive

Die insgesamt 26 Tage im All haben seinen Blickwinkel auf das irdische Geschehen in vielerlei Hinsicht verändert: "Wenn man von oben auf die Erde schaut, gibt es keine Grenzen. Aus dieser Perspektive ist es kaum verständlich, dass an einem Punkt eine bestimmte Sprache und Währung benutzt wird und 50 Kilometer weiter eine andere. Da wurde mir klar: Wir haben die Grenzen erfunden. Sie existieren nur auf Landkarten und sonst nirgends."

Ungewisse ISS-Zukunft

Plänen, die ISS nach 2020 aufzugeben, steht Drew kritisch gegenüber. "Es ist die komplexeste Struktur, die wir im All gebaut haben. Die ISS ist ein Kunstwerk, vergleichbar mit einer mittelalterlichen Kathedrale." Während die Nasa bereits eine Finanzierung des Außenpostens der Menschheit bis 2024 zugesagt hat, will Russland nur bis 2020 an Bord bleiben. Wegen der Ukraine-Krise stellte die Nasa im Mai die Kooperation mit Roskosmos zum Teil ein. Für den Transport zur ISS sind die USA derzeit aber noch auf die russischen Sojuskapseln angewiesen. Einen neuerlichen Wettlauf im All - auch angespornt durch die Raumfahrtsprogramme Indiens und Chinas - hält Drew für unwahrscheinlich. "Raumfahrt ist extrem teuer. Nur internationale Kooperation kann zukünftige größere Projekte da draußen im All vorantreiben." Auch mit China? "Wenn es die Politik irgendwann erlaubt, auch mit China."

Langer Weg zum Mars

Das nächste große Projekt der Nasa ist ein bemannter Flug zum Mars, der für Mitte der 2030er-Jahre angepeilt wird. Dass die private Initiative MarsOne wie geplant schon 2024 startet, glaubt Drew nicht. Die technologischen Durchbrüche, vor allem, was den Schutz gegen die Strahlung betrifft, stünden noch aus. Auch die Entdeckung von Leben im All oder lebenswerten Planeten betreffend, stehe die Menschheit noch am Anfang.

2006 schloss Drew ein Politikwissenschaftsstudium ab - politische Ambitionen hat er dennoch nicht. "Unsere Politikwissenschaft ist primitiv. Sie ist wahrscheinlich auf dem Niveau der Medizin im 18. Jahrhundert", sagt Drew, der Martin Luther King und Benjamin O. Davis, den ersten schwarzen Air-Force-General, als seine Vorbilder nennt. "Ich würde gern einen Isaac Newton oder Albert Einstein der Politikwissenschaft sehen, der uns dabei hilft zu verstehen, wie Regieren überhaupt funktionieren kann." (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 18.6.2014)