Derzeit haben wir die Festwochen der autoritären Herrscher mit antieuropäischer Tendenz. Tayyip Erdogan kommt diese Woche, Wladimir Putin die nächste. Beide sind zu Hause mächtig, mischen sich gerne im "nahen Ausland" ein, haben aber potentielle Schwächen. Ihr Modell ist Stärke, Nationalismus, Religion als Politikbestandteil (sunnitisch bzw. russisch-orthodox) - und vor allem keine westlichen Narreteien wie Menschenrechte, Oppositionsrechte und (sexuelle) Toleranz.

Das offizielle Österreich wird den einen Autokraten mehr oder minder ignorieren (obwohl er massiv auf die türkischstämmige Bevölkerung einwirkt) und den anderen distanziert hofieren (wie nur wir das können).

Jedenfalls haben wir wieder so etwas wie außenpolitische Themen. Wer es noch nicht gemerkt hat: Wir haben einen Krieg in Europa. Russland gibt bewaffneten Banden in der Ostukraine Flugabwehrraketen und Panzer, es droht außerdem mit dem Gasabdrehen, um diesen osteuropäischen Staat (wieder) unter seine Gewalt zu bringen. Seine ideologischen Unterstützer sind allerdings schon unzufrieden mit ihm: Letzte Woche wurde in Moskau für einen Einmarsch in der Ostukraine demonstriert, der Hypernationalist Alexander Dugin (kürzlich in Wien, mit Strache dabei) warnte Putin vor Zurückhaltung, die "persönlicher Selbstmord" sei. Das wird die Sympathisanten Putins in Europa - den französischen Front National, die heimische FPÖ - in ihrem Glauben an den mächtigen Feind der EU nicht wankend machen (noch nicht). Andere sollten nachdenklich werden. Wir wissen inzwischen, dass die seltsam vielen Putin-Versteher in den Internetforen teilweise von einer russischen Tarnfirma bezahlt werden. Eine andere Sache sind die Manager, Unternehmer und Banker, die sehr intensive wirtschaftliche Beziehungen zu Putins Russland haben und froh sind, dass dort einer "Ordnung hält" (Schutzgeld inklusive).

Österreich wird daher seine Politik seiner guten Beziehungen zu Putin fortsetzen und ihm etwa bei seinem Besuch nächste Woche eine Bühne bieten, um eine Normalität zu signalisieren, die so nicht existiert. Um ehrlich zu sein, dass ist auch im Moment die einzige, halbwegs realistische Politik, weil uns angesichts der engen Verflechtungen mit Russland nichts anderes übrig bleibt. Der entscheidende Punkt ist, dass man sich darüber nicht selbst belügt und dass man immer im Hinterkopf behält: Putin will seinen Einfluss auch in der EU bzw. in bestimmten Ländern der EU verstärken. Ein Versuch, Bulgarien zu unterwandern, ist jetzt offenbar schiefgegangen. Ein Rohstoffreich wie Russland, das sonst nicht viel zu bieten hat, ist auf fremde Technologie angewiesen. Österreich war schon zu Zeiten der Sowjetunion ein Zentrum des Technologietransfers - bis die Amerikaner energisch wurden - und spielt im Denken von Putin sicher auch heute eine ähnliche Rolle.

Man kann/muss/soll dieses Spiel mitspielen, darf sich aber keine Illusionen machen. Und man muss den Putinisten hierzulande, vor allem denen von der FPÖ, noch viel genauer auf die Finger sehen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 18.6.2014)