Neue Wohnbauten in Wien-Donaustadt neben landwirtschaftlichen Flächen: Die Stadtverdichtung ist ein langsamer Prozess.

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Michaela Trojan (Wohnfonds Wien) ruft nach besserem Marketing. 

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Ökologe Thomas Knoll ärgert sich über schlampige Planung.

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Planungsdirektor Thomas Madreiter wünscht eine intellektuelle Debatte.

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Bernd Rießland (Sozialbau) will Alt und Neu durch Architektur verbinden. 

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Wien – Das eigene Wohnviertel ist für die meisten Menschen ein Ruhepol. Wenn dort neue Bauten entstehen, dann geht ein Stück Sicherheit und Geborgenheit verloren. Auf dieses entscheidende Motiv für den Widerstand von Einzelnen gegen die gesellschaftliche Notwendigkeit des Wohnbaus verwiesen fast alle Redner beim Standard-Wohnsymposium. Und sie alle wussten auch die Lösung: Man müsse Anrainern klar machen, dass die Bautätigkeit auch Vorteile für die Alteingesessenen bringt.

Aber wie vermittelt man diese Botschaft am besten? "Wir müssen im Marketing besser werden," war die Antwort von Michaela Trojan, der Geschäftsführerin des für die Stadtentwicklung zuständigen Wohnfonds Wien. Ein verdichteter Wohnbau bringe einem Viertel auch bessere Verkehrsanbindungen, neue Schulen und Kindergärten, Spielplätze und mehr Einkaufsmöglichkeiten.

Ex-Planungsstadtrat Hannes Swoboda sieht den Dialog mit Anrainern hingegen als politischen Prozess. Allein durch Mitbestimmung und Teilhabe sei es möglich, "die Leute davon zu überzeugen, dass auch sie nicht nur etwas verlieren, sondern auch gewinnen".

Allerdings dürfe das nicht so weit gehen, "dass wir darüber abstimmen, ob gebaut werden kann oder nicht". Diese Entscheidung müsse die Politik selbst fällen – und die Interessen der Gemeinschaft "mit Vehemenz vertreten."

Koalitionen schmieden

Allerdings müsse die Politik durch einen offenen Planungsprozess Koalitionen schmieden, um so Widerstände zu überwinden, fordert Rudolf Scheuvens, Dekan der Fakultät Architektur und Raumplanung der TU Wien. Dabei gehe es nicht nur um Wohnbau, sondern um die Stadtentwicklung an sich, die Schaffung "neuer urbaner Lebensqualitäten". Scheuvens: "Dafür braucht man eine klare politische Positionsbestimmung."

Der Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter geht noch einen Schritt weiter und fordert eine intellektuelle Debatte mit den Bewohnern. "Urbanität ist zu allererst ein Lebens- und Denkkonzept. Die Menschen müssen Dichte nicht nur als Problem begreifen, sondern auch als Chance.

Eine Stadt setzt ein Mindestmaß an Rücksichtnahme und Robustheit voraus. Stadt muss sich neu erfinden." Ein gutes Beispiel dafür sei das neue Wohnviertel auf dem Areal des Wiener Nordbahnhofs, in dessen Mitte das Wohnsymposium erstmals stattfand.

Qualitätsmerkmal

Der Ökologe Thomas Knoll sieht den Veränderungsbedarf hingegen in erster Linie bei den Planern, die oft hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurückbleiben. In diesem Lernprozess würden Bürgerinitiativen eine wichtige Rolle spielen, glaubt Knoll. "Sie sind ein Qualitätsmerkmal für die Zivilgesellschaft und den Rechtsstaat," sagt er. "Je besser die Bürgerinitiative, desto besser wird das Projekt."

Knoll weiter: "Wir machen tausend Dinge in der Raumordnungsplanung verfassungs- und verwaltungspolitisch falsch. Aber wir können uns diese Schlampigkeit nicht mehr leisten, weil wir Bürgerinitiativen haben, die uns auf die Finger schauen."

Beim heiklen Thema Denkmalschutz wünscht sich Sozialbau-Vorstand Bernd Rießland mehr Beispiele, wo alte Gebäudeteile mit modernen Zubauten verbunden werden. "Mit sehr moderner Architektur kann eine Spannung erzeugt werden, die sehr viel mit Urbanität zu tun hat", sagt Rießland und fügt hinzu. "Da sind wir in Österreich noch etwas schüchtern." (Eric Frey, DER STANDARD, 18.6.2014)