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Teure Arzneimittel wie Herceptin sind besonders gefährdet.

Foto: Reuters/LUKE MACGREGOR

Wien - Der Fall sorgte für Aufsehen: Im April wurde bekannt, dass über Parallelimporteure gefälschte Medikamente an österreichische Kliniken geliefert worden waren. Konkret ging es um drei sehr teure Krebs- und Rheumaprodukte. Sie haben kriminelle Gruppen motiviert, ein Netz zur Fälschung aufzubauen. Die gute Nachricht damals: Alle betroffenen Chargen konnten abgefangen werden, zu Patienten kam kein Produkt. Klinikgruppen, die versucht hatten, durch Parallelimporte Kosten zu senken, stellten die Lieferungen aus billigeren Ländern vorerst ein.

Doch nun die nächste Hiobsbotschaft: Die Behörden warnten vor wenigen Tagen erneut vor gefälschten Medikamenten. Das Netzwerk dahinter scheint nicht aufgedeckt zu sein. So könne man das nicht sagen, meint Christoph Baumgärtel, Sprecher des Bundesamts für das Gesundheitswesen (BAGS) bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages): "Die italienischen Behörden und Interpol ermitteln auf Hochtouren. Dabei wurde bei der Durchsicht von Transportlisten bekannt, dass nicht drei, sondern zumindest fünf Medikamente betroffen waren." Konkret geht es um die Produkte Herceptin (Brustkrebs), Avastin (verschiedene Krebsarten), Mabthera (Leukämie, Rheuma), Alimta (Lungenkrebs) sowie Remicade (chronische Polyarthritis). Ob sich der Fall noch ausweitet, könne man derzeit weder bestätigen noch ausschließen, sagt Baumgärtel.

Der Fokus der Behörden: Bereinigung bei betroffenen Produkten. Klar scheint, dass auch die Parallelimporteure Opfer der Fälscher sind. Denn die Medikamente laufen über mehrere Stufen, bis sie zu den Patienten kommen. Parallelimporte erfolgen oft über mehrere Zwischenhändler, inklusive Umetikettierung und Umpackprozess. In Österreich müsse ein Parallelimporteur strenge Auflagen erfüllen, sagt Heinz Krammer, Generalsekretär des Großhandelsverbands Phago. Vereinfacht gesagt, muss er sogar die gleichen Auflagen wie Hersteller erfüllen, da er die Produkte auch umpacken und mit heimischen Sicherheitsmerkmalen und Beipackzetteln ausstatten muss. Jeder Parallelimport muss genehmigt werden.

Trotz des Aufwands lohnt sich das Geschäft für die Fälscher, weil die Preisunterschiede zwischen einzelnen Ländern gute Gewinne versprechen. Krebstherapien können viele tausende Euro kosten. Insgesamt dürften mit den nun betroffenen Produkten im Originalfall Umsätze von mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Da rechnen sich Spannen von ein paar Prozent, sagt ein Insider.

Unklare Volumen

Wie groß der Markt für Parallelimporte in Österreich ist, kann niemand sagen. Baumgärtel kann Schätzungen von zehn bis 20 Prozent im Spitalsbereich nicht bestätigen, hält sie aber für "nachvollziehbar". Rechnet man das auf die Gesamtausgaben von Krankenhäusern für Medikamente hoch, liegt allein das Volumen der parallelimportierten Medikamente bei bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr.

Nicht zuletzt deshalb macht die Industrie Druck, den Fälschern das Handwerk zu legen. Nur den Markt zu bereinigen reiche nicht, sagt Roche-Austria-Geschäftsführer Wolfram Schmidt. Sein Unternehmen ist durch Herceptin und Avastin von den Fälschungen betroffen. "Wir müssen das lückenlos aufklären. Es muss sichergestellt werden, dass die Netze aufgespürt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden."

Schmidt will auch die Importeure nicht aus der Verantwortung entlassen. Im Fall der betroffenen Produkte habe es sich um Medikamente gehandelt, die in Italien gekauft worden waren. Da aber Roche dort Spitäler ausschließlich direkt beliefere, sei kein Händler eingebunden gewesen, der Produkte in andere Länder hätte verkaufen können. "Die Medikamente können nur illegal aus den Spitälern in den Handel gelangt sein." Selbst wenn sie nicht gefälscht würden, seien also Kriminelle am Werk. "Wir hatten im April mehr als 1000 italienische Packungen in Österreich am Markt", berichtet Schmidt.

Die Pharmaindustrie bereitet sich deshalb derzeit mit Milliardenaufwand auf die bevorstehende Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen vor. Ende 2017 soll mit einer neuen Arzneimittelkennzeichnung in der EU noch mehr Sicherheit zur Herkunft von Medikamenten geschaffen werden. Mittels Codierung jeder Packung soll deren Weg vom Produzent bis in die Apotheken oder Kliniken nachvollziehbar sein. "Das wird der Stresstest für die Industrie und den Großhandel", sagt Baumgärtel, der die Regelungen begrüßt: "Damit sind deutliche Verbesserungen schon in Sicht." (Martin Schriebl-Rümmele, DER STANDARD, 17.6.2014)