Wien - EU-Energiekommissar Günther Oettinger sieht trotz des heute morgen um acht Uhr MESZ erfolgten Stopps russischer Gaslieferungen an die Ukraine noch die Möglichkeit für einen Kompromiss. "Mit ein bisschen mehr Flexibilität von beiden Seiten ist das zu schaffen", sagte Oettinger bei einem Zwischenstopp Montagvormittag in Wien. Zuvor hatte er in Kiew in der Nacht von Sonntag auf Montag noch einen letzten Versuch unternommen, die beiden Streitparteien - dir russische Gasprom auf der einen Seite und die ukrainische Gasgesellschaft Naftogas auf der anderen - auf einen Kompromiss einzustimmen, was fürs erste misslungen ist.

Lieferstopp könnte Auswirkungen haben

Gasprom hat, wie berichtet, seine Gaslieferungen an die Ukraine davon abhängig gemacht, dass nicht bezahlte Schulden bis Montagfrüh um acht Uhr beglichen sind. Es geht um insgesamt 1,95 Mrd. Euro, die Naftogas für erhaltenes Gas noch nicht bezahlt hat. Der Lieferstopp, von dem die EU-Abnehmer nicht betroffen sind, könnte aber dennoch schwerwiegende Auswirkungen im Westen Europas haben. "Wenn die Speicher jetzt nicht gefüllt werden, bekommen wir alle in Europa möglicherweise ein Problem“, sagte Oettinger. Mit alle meine er nicht nur die EU-Staaten, sondern auch die Westbalkanländer und Moldawien inklusive. Das Speichervolumen in Europa betrage rund 80 Mrd. m3, wovon sich allein 35 Mrd. m3 in der Ukraine befinden. Um nicht im Winter zu frieren, sei es "ein Gebot der Stunde, die jetzt in den warmen Sommermonaten aufzufüllen“, sagte Oettinger. Die Ukraine, die für ihren Eigenbedarf zu wenig Gas produziert, könnte sich gezwungen sehen, Gas schon in den Sommermonaten aus ihren Speichern zu entnehmen statt sie aufzufüllen.

Lage sondieren

Oettinger will in den nächsten Tagen die Lage mit der Ukraine und mit Russland sondieren. Freitag dieser Woche tagt die Gaskoordinierungsgruppe (Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten, Pipelinebetreiber, Speicherveranwortliche, Regulatoren), um eine Lösung zu finden. Diese hofft Oettinger dem nächste Woche stattfindenden Europäischen Rat (Donnerstag und Freitag) vorlegen zu können. "Dann fallen hoffentlich nicht nur Personal-, sondern auch Sachentscheidungen“, sagte Oettinger. Auf Basis seines zuletzt vorgelegten Kompromissvorschlags - Zahlung von einer Mrd. Euro sofort, den Rest in sechs Tranchen bis Ende 2014 und einen gesplitteten Gaspreis für künftige Lieferungen (385 Dollar im Winter, 300 Dollar oder etwas mehr je 1000 m3 im Sommer)  bei pünktlicher Bezahlung - will Oettinger nochmals mit den beiden Streitparteien ins Gespräch kommen. "Ich glaube, es ist auch für Russland interessant, einen Teil des Geldes sofort, den Rest noch heuer zu bekommen als zwei Jahre Anwälte zu bezahlen und kein Geld zu bekommen“, formulierte Oettinger. (Günther Strobl/derstandard.at, 16.6.2014)