Screenshot: Hersteller

Die Electronic Entertainment Expo ist nicht nur die größte Spielemesse der Welt, auch sonst beeindruckt das Event mit Größe: riesige Leinwände, gigantische Werbetafeln, gewaltige Budgets. “Big is beautiful” ist wie jedes Jahr das Motto, und das zeigt sich auch in den Spielen, die mit dem größten Getöse ins Rampenlicht gestellt werden. Die großen, die riesigen Hochglanz-Hits der finanzstärksten Publisher stehen heuer besonders im Zentrum, nachdem letztes Jahr die große Bühne der neuen Hardware der neu vorgestellten Konsolengeneration gehört hatte.

Dass die wachsende Szene der kleinen Independent-Studios neben den Dinosauriern etwas leiser und unauffälliger daherkommt, bedeutet aber nicht, dass es keine Neuigkeiten für Indie-Freunde gegeben hätte. Denn auf Indie, das bewiesen auch die großen Präsentationen der Konsolenhersteller Microsoft, Nintendo und Sony, kann heute auch keine Konsole mehr verzichten - vom PC, dem "Original Home of Independent", ganz zu schweigen. Nachdem letztes Jahr Sony die Unabhängigen demonstrativ umarmt hatte und damit sowohl Nintendo als auch Microsoft einen Schritt voraus war, umwerben 2014 alle Seiten die unabhängige Szene. Erfreulich: Die meisten der untengenannten Titel sind nicht auf einzelne Plattformen beschränkt und erscheinen zumindest auch für PC, wenn nicht gar auf allen Plattformen - auch das ein willkommener Nebeneffekt des Wachstums der Szene.

Indie-Darling Sony

Im Wettkampf der Konsolen um die Indies ist Sony immer noch ein bisschen weiter: So wurde die exklusive Zusammenarbeit mit dem Indie-Publisherkollektiv Devolver Digital bekanntgegeben - Top-Indies wie "Broforce", "Titan Souls", "Holtline Miami 2 - Wrong Number" sowie "The Talos Principle", ein neuer First-Person-Puzzler der "Serious Sam"-Macher Croteam, werden in Kürze ihren Weg auf Sonys Konsolen finden - auch auf die zu Unrecht von Kritikern totgesagte PS Vita, die sich in den letzten Jahren zur regelrechten Indie-Maschine gemausert hat.

Doch auch abseits dieses Publishing-Deals hat die PS4 für Indie-Freunde einiges zu bieten. Das Unterwasserspiel "Abzû" zum Beispiel stammt aus der Hand ehemaliger "Journey"-Entwickler und verspricht atmosphärisches Tauchen. Auch heuer ist Sony wieder ein kleiner Indie-Coup gelungen: Während sich die Japaner letztes Jahr mit dem heiß erwarteten "Everybody’s Gone To The Rapture" der "Dear Esther"-Macher sogar Plattformexklusivität sichern konnten, schnappte man sich heuer die Weltraumüberraschung "No Man’s Sky", die letztes Jahr mit "procedural everything" für Begeisterung gesorgt hatte. Kleiner Trost: In diesem Fall soll wenigstens die Plattform PC nicht ganz leer ausgehen.

Trailer: "No Man’s Sky"
HelloGamesTube

Microsoft legt nach

Microsoft hat seine Lektion gelernt: Erschien die Indie-Strategie der Amerikaner letztes Jahr beim missratenen Launch der Xbox One noch lustlos und - wie vieles - nur halb durchdacht, bemüht sich Redmond dieses Jahr um eine ganze Masse an hochkarätigen Indie-Titeln im Rahmen des ID@Xbox-Programms. Fast 40 Indie-Titel stellt das diesbezügliche Präsentationsvideo vor. Neben Bekanntem wie "Below", "Aztez" und "Hyper Light Drifter" gibt es auch einige Überraschungen: Das bezaubernde "Cuphead" verzückt mit Grafik im ganz, ganz frühen Disney-Stil, und auch das wunderschöne "Ori and the Blind Forest" und das schwarzweiße "White Night" bieten außergewöhnliche Optik. Weiters bemerkenswert: Der First-Person-Dungeon-Crawler "Hellraid", Survival-Horror "Grave" und "Megaman"-Reinkarnation "Mighty No. 9".

Die größte Freude wird aber vielleicht so manchen "Inside" bereiten: Das Spiel der dänischen Indie-Helden Playdead ist so etwas wie der geistige Nachfolger zum Kultspiel "Limbo". Die Seite Indiegames.com hat die dichte Präsentation Microsofts in ihre einzelnen Spiele zerlegt und bietet so einen einfachen Überblick über das vielversprechende Line-up.

Trailer: "Inside"  
Playdead

Nintendo zieht mit

Man ist geneigt, Nintendo mit seiner lange Zeit schwächelnden Wii U nicht so ganz zur Next-Gen zu zählen, doch auch in Sachen Indie haben die Japaner nun endlich die Zeichen der Zeit erkannt. Im eShop will man in Zukunft für Wii U und Handhelds vermehrt auf kleine Spiele aus Indie-Schmieden setzen. Unter den vorgestellten Titeln sind reguläre "Klassiker" wie "Phoenix Wright: Ace Attorney", aber auch viele unabhängige Titel - von "Teslagrad" über "Shovel Knight" bis hin zu "Guacamelee". Auch hier verschafft Indiegames.com Klarheit über das vorgestellte Angebot.

Trailer: "Teslagrad"
RainGamesChannel

Abseits der E3

Wer vom Lärm der großen Messe genug hatte, konnte am letzten Tag des Events bei einer weitaus kleineren, aber für Freunde der Indie-Szene begeisternden Veranstaltung noch einen weiteren Blick auf kommende Attraktionen werfen: Im Museum of Contemporary Art versammelte die Szene-Seite Venus Patrol unter dem Namen Horizon zum zweiten Mal hochkarätige und handverlesene Indie-Titel anlässlich einer Pressekonferenz abseits des großen Industrie-Zirkus. "Everybody’s Gone To The Rapture", "Quadrilateral Cowboy" und "Mountain" beweisen wie auch die anderen gezeigten Spiele die nach wie vor ungebrochene kreative Innovationskraft der Subkultur.

Und erstmals konnten Freunde der weniger kommerziellen Gameskultur sogar von zu Hause einen Gegenentwurf zur Hypemaschine E3 genießen: Unter dem Titel "IndiE3" findet aktuell noch bis Montag ein kunterbuntes Online-Video-Symposium zum Thema Spielkultur statt - "an alternative online video game event": Mehr Kontrast zur eben mit Erschöpfung beendeten Megamesse geht kaum. (Rainer Sigl, derStandard.at, 16.6.2014)