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Freiwillige der irakischen Armee in Bagdad, die sich für den Kampf gegen ISIS gemeldet haben.

Foto: REUTERS/Thaier Al-Sudani

Washington/Bagdad - Die US-Regierung bereitet laut einem Medienbericht direkte Gespräche mit dem Iran über die Krise im Irak vor. Washington und Teheran wollen sich angesichts des Vormarschs der Jihadisten im Irak in dieser Woche zu ersten Beratungen treffen, wie das "Wall Street Journal" in seiner Montagsausgabe unter Berufung auf US-Regierungsvertreter berichtete.

Kämpfer der sunnitischen Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) hatten in den vergangenen Tagen mehrere Städte und Regionen im Norden des Irak erobert und waren anschließend in Richtung der Hauptstadt Bagdad vorgerückt. Der iranische Präsident Hassan Rohani schloss daraufhin am Samstag nicht aus, mit dem Erzfeind USA gegen die Jihadisten zu kooperieren.

35 Jahre diplomatische Funkstille

Seit 35 Jahren - seit der Islamischem Revolution mit dem Sturz des Schahs, der eine strategische Partnerschaft mit den USA eingegangen war, und der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran 1979 mit anschließender Geiselnahme von 52 US-Bürgern für 444 Tage - herrscht diplomatischer Stillstand zwischen dem Iran und den USA. In den vergangenen Jahren kam der Streit um das iranische Atomprogramm erschwerend dazu. Zuletzt gab es aber eine Annäherung.

Es sei noch unklar, über welche diplomatischen Kanäle der Austausch stattfinde, sagten US-Regierungsvertreter dem "Wall Street Journal". Möglich wäre, dass die Atomverhandlungen in Wien als Forum für die Gespräche genutzt werden. In der Bundeshauptstadt kommen am Montag Vertreter des Iran und der 5+1-Gruppe der fünf UNO-Vetomächte und Deutschlands zusammen, um über eine endgültige Lösung zur Beilegung des jahrelangen Streits über das iranische Atomprogramm zu verhandeln. Wie das State Department mitteilte, wird die Nummer zwei der amerikanischen Diplomatie, Vize-Außenminister William Burns, diese Woche nach Wien zu den Gesprächen kommen.

Kein Kommentar aus Weißem Haus

Das Weiße Haus wollte den Zeitungsbericht weder bestätigen noch dementieren. Die USA verlegten angesichts des Jihadisten-Vormarschs bereits einen Flugzeugträger in den Golf. Eine Entsendung von Bodentruppen schloss US-Präsident Barack Obama aber aus.

USA ziehen Botschaftspersonal ab

Angesichts des Vormarschs der ISIS ziehen die USA einen Teil ihres Botschaftspersonals aus Bagdad ab. Die Mitarbeiter würden für eine begrenzte Zeit in die US-Konsulate in Basra und Erbil sowie in die jordanische Hauptstadt Amman versetzt, teilte das US-Außenministerium am Sonntag mit. Um wie viele Mitarbeiter es sich handelt, blieb zunächst offen.

Wegen der unruhigen Lage und der Gewalt in Teilen des Landes schicke Washington zudem zusätzliche Sicherheitskräfte zum Schutz der Botschaft nach Bagdad, sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. Die diplomatische Vertretung bleibe aber geöffnet. Die Maßnahme betreffe weniger als 100 Soldaten, ergänzte ein Regierungsvertreter.

Daten von ISIS im Besitz der irakischen Armee

Wie die britische Zeitung "The Guardian" unterdessen berichtete, sind den irakischen Truppen mehr als 160 Speichersticks der ISIS mit hochbrisanten Informationen in die Hände gefallen. Darunter seien Namen und Kriegsnamen aller ausländischen ISIS-Kämpfer, von ISIS-Anführern, Codewörter, die Initialen von Informanten in Ministerien sowie die kompletten Finanzdaten der Organisation. "Wir waren alle verblüfft, und die Amerikaner auch", sagte ein Geheimdienstoffizier zum "Guardian" (Sonntag, Onlineausgabe).

Seit der Eroberung der Großstadt Mossul verfüge ISIS über Milliardenwerte. "Vor Mossul betrugen ihr gesamtes Bargeld und ihre Anlagen 875 Millionen Dollar", sagte der Informant. "Danach, mit dem Geld, das sie in Banken geraubt haben, und dem Wert der militärischen Versorgungsgüter, die sie geplündert haben, konnten sie weitere 1,5 Milliarden Dollar dazuaddieren." Das seien umgerechnet insgesamt 1,75 Milliarden Euro.

In den Besitz der Daten gelangten die irakischen Streitkräfte dem Bericht zufolge bereits vor dem Fall Mossuls. Zwei Tage vor der ISIS-Offensive habe ein Kurier des ISIS-Kommandanten Abdulrahman al-Bilawi in einem Dauerverhör den Namen seines Chefs gestanden. Wenige Stunden später sei Bilawi tot gewesen. In seinem Haus und bei seinem Kurier seien die Datenträger sichergestellt worden. Ihre Auswertung - unter anderem durch CIA-Agenten - sei noch im Gange. (APA, 16.6.2014)