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Joachim Löw setzt auf die sogenannte "falsche Neun". Wer das gegen Portugal sein soll, ist fast einerlei. Der Bundestrainer überlegt.

Foto: AP/Schrader

Schön langsam rücken Rio und das Maracanã immer mehr ins Zentrum der WM. Die Fifa hat ihre tägliche Informationsveranstaltung von São Paulo hierher verlegt. Und da bleibt sie. Journalisten dürfen jeden Vormittag Fragen stellen, wobei das Thema vorgegeben ist. Am Sonntag wurde es spektakulär, die TV-Aktivitäten des Weltverbandes waren der Programmpunkt. Erwünscht sind Fragen wie: "Warum sind die Bilder so toll?" Auf dem Podium sitzen meist drei bis fünf Personen. Damit es nicht zu nordkoreanisch wirkt, kann man vom Thema leicht abweichende Fragen per Mail schicken. Zum Beispiel, ob der für 90 Tage gesperrte, weil in der Affäre um Katar nicht gerade kooperative Franz Beckenbauer daheim fürs TV analysieren darf. Zur Beruhigung: Er darf.

Wie der Titel für Honduras

"Ich bin stolz, das Stadion ist fertig", sagte ein Herr von der Betreibergesellschaft des Maracanã erregt. Zudem hoffe er, dass es in zwölf Jahren refinanziert ist. Die genauen Zahlen habe er leider nicht im Kopf. "Vielleicht dauert es zwanzig." Der gewöhnliche, Kummer gewöhnte Brasilianer geht allerdings felsenfest davon aus, dass der WM-Titel für Honduras wahrscheinlicher ist als schwarze Zahlen fürs Maracanã.

Über das Fußballspiel an sich kann man recht frei reden, es gibt ja kaum Grund zur Klage, das Niveau ist hoch. Gérard Houllier, Vertreter der Fifa Technical Study Group (TSG) und seit Juni 2012 Global Sport Director der Fußballabteilung von Red Bull, beschäftigt sich mit den Entwicklungen. Nach nur drei Spieltagen zog der 66-jährige Franzose kein Fazit, er vermittelte Eindrücke, Trends.

In Südafrika 2010 sind in den ersten vier Partien fünf Tore gefallen, in Brasilien waren es 15. Houllier: "Die Mannschaften wollen Tore schießen, sie haben erkannt, dass dies der Sinn ist und Spaß macht." Neben einer weiteren Verbesserung der Fitness ("Beeindruckend, das Tempo") sei der gesteigerte Mut zum Risiko positiv. "Die Trainer versuchen es wieder mit zwei oder sogar drei Stürmern." Generell sei die Qualität der "Striker" vorzüglich. Er führte die Niederländer Robin van Persie und Arjen Robben an, die Spanien mit 5:1 zerlegt haben. Dieses doch sensationelle Resultat bewertete Houllier mit der Vorsicht eines Entwicklungshelfers. "Wer die Spanier abschreibt, irrt. In Südafrika haben sie mit einem 0:1 gegen die Schweiz begonnen."

100. WM-Spiel für Schland 

Aufgrund der klimatischen Bedingungen hätten jedoch die Südamerikaner leichte Vorteile. "Aber es sind ein Unmenge Spieler dabei, die wissen, wie man mit ungewohnten Umständen umgeht."

Deutschland liegt in Europa, Portugal auch, insofern herrscht heute, Montag (18/MESZ, ORF 1), in Salvador da Bahia Chancengleichheit. Dass in der Arena Fonte Nova bereits um 13 Uhr Ortszeit angepfiffen wird, ist Pech für beide. Bundekanzlerin Angela Merkel wird live dabei sein, im Gegensatz zu Beckenbauer ist sie willkommen. "Ich drücke unserer Mannschaft die Daumen, dass sie möglichst weit kommt. Aber es wird ein hartes Ringen. Wer Weltmeister wird, lässt sich noch nicht sagen, da muss man erst gucken", teilte Merkel in ihrem Video-Podcast vor der Abreise mit.

Bundestrainer Joachim Löw liegt mit seiner Kanzlerin auf einer Linie, er guckt. Das Spiel gegen Portugal ist Deutschlands 100. bei einer WM, drei Titel sind die Beute. Dass es unter extremen Bedingungen stattfindet, stört Lukas Podolski nicht. "Es darf keine Rolle spielen, ob es 50, 55 oder 70 Grad hat." Es werden rund 28 sein, Luftfeuchtigkeit rund 90 Prozent.

Sami Khedira warnt eindringlich vor den Portugiesen. "Das wird das schwierigste Spiel, auch wenn wir zuletzt immer gegen Portugal gewonnen haben." Als Spieler von Real Madrid sitzt er an der Quelle, hat das Vergnügen, mit Weltfußballer Cristiano Ronaldo im selben Verein angestellt zu sein. "Jetzt seid ihr dran, dieses Mal schlagen wir euch, hat er zu mir gesagt. Ich weiß, dass er brennt. Er wird sich zerreißen." Doch Khedira sagte auch: "Wenn wir unser Spiel durchziehen, werden wir Portugal samt Ronaldo schlagen." Podolski legte nach: "Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir ernsthaft vom Titel sprechen können. Das war vorher nicht immer der Fall."

Einer für drei

Löw bastelt an der Aufstellung. Fest steht, dass Kapitän Philipp Lahm im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kommt. Tormann Manuel Neuer ist, die Viererkette bilden vier gelernte Innenverteidiger: Jérôme Boateng, Mats Hummels, Per Mertesacker und Benedikt Höwedes. Miroslav Klose, der einzige nominelle Stürmer im Kader, dürfte auf der Bank sitzen.

Löw ist ein Anhänger der sogenannten "falschen Neun", Mario Götze und Thomas Müller sind die Anwärter auf diesen durchaus interessanten Posten. Gérard Houllier wird mit seiner These von den "zwei Spitzen" leicht widerlegt. Er kann sich mit dem "Striker" Ronaldo trösten. Der zählt vermutlich für drei. (Christian Hackl aus Rio de Janeiro, DER STANDARD, 16.6.2014)

Gruppe G (1. Runde):

Deutschland - Portugal (Montag, 18.00 Uhr MESZ, Salvador da Bahia, Arena Fonte Nova, SR Milorad Mazic/Serbien)

Mögliche Aufstellungen:

Deutschland: 1 Neuer - 20 J. Boateng, 17 Mertesacker, 5 Hummels, 4 Höwedes - 6 Khedira, 16 Lahm, 18 Kroos - 13 Müller, 8 Özil, 9 Schürrle

Ersatz: 12 Zieler, 22 Weidenfeller - 2 Großkreutz, 3 Ginter, 15 Durm, 21 Mustafi, 7 Schweinsteiger, 10 Podolski, 14 Draxler, 19 Götze, 23 Kramer, 11 Klose

Teamchef: Joachim Löw

Portugal: Portugal: 12 Rui Patricio - 21 J. Pereira, 2 Pepe, 3 Bruno Alves, 5 Coentrao - 8 Moutinho, 4 Veloso, 16 Meireles - 18 Varela, 9 H. Almeida, 7 Ronaldo

Ersatz: 1 Eduardo, 22 Beto - 13 R. Costa, 14 Neto, 19 A. Almeida, 6 Carvalho, 20 Amorim, 10 Vieirinha, 11 Eder, 15 Rafa, 17 Nani, 23 Postiga

Teamchef: Paulo Bento