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Die Zahl der Pässe im Zeitverlauf (pro fünf Minuten)

fasresearch

Die Strukturanalyse weist die spielerische Dominanz der Italiener auf sämtlichen Ebenen aus. Das Passnetzwerk spiegelt in aller Deutlichkeit jene kontrollierte Schnörkellosigkeit wider, die während der gesamten Spieldauer vom zentralen Mittelfeld mit de Rossi, Pirlo und Verratti/Motta ausstrahlte.

Ausgehend von dieser stetig pulsierenden Taktmaschine variierte das Spiel zwischen abwartendem Zirkulieren und präzisen Vorstößen über die Flügelspieler in Richtung Mittelstürmer Balotelli, der seine spielerischen Fähigkeiten erstaunlich mannschaftsdienlich einsetzte.

Abgesehen von wenigen schwachen Augenblicken trotzten die Azzurri der kräfteraubenden Schwüle mit einer hochkonzentrierten Performance, die sich in Beziehungsstrukturen von verblüffender Regelmäßigkeit manifestierte. Je nach Bedarf interpretierte die Squadra die taktische 4-1-4-1-Grundordnung entweder als dichten Riegel vor dem eigenen oder aber als quirligen Flashmob vor dem gegnerischen Strafraum. Wie beim neu formierten niederländischen Team scheint sich auch bei den Italienern ein dynamisches Gleichgewicht zwischen einer Achse unhintergehbarer Erfahrung (Chiellini, de Rossi, Pirlo) und einer Achse anschlussfähiger jugendlicher Unerschrockenheit (Darmian, Verratti, Balotelli) zu einer gefährlichen Gang verschworen zu haben.

Das englische Team befindet sich in einem vergleichbaren Stadium des Übergangs, wenn man die Mischung aus Routiniers (Cahill, Gerrard, Rooney) und Talenten (Henderson, Sterling, Sturridge) betrachtet. Gegen Italien gelang es den Engländern allerdings nur selten, ihr vorhandenes Potenzial aus Schnelligkeit (Wellbeck), Spielwitz (Sterling) und Wucht (Rooney) auch nur in Ansätzen auszuspielen. Das Passnetzwerk weist deutliche Merkmale einer eher wirren, reaktiven Struktur auf. Zu oft verebbte der konstruktive Spielaufbau irgendwo zwischen zentralem Mittelfeld und den offensiven Kräften. Die tendenzielle Erstarrung des englischen Kaninchens vor der italienischen Hydra dokumentierte sich auch in der für englische Verhältnisse ungewohnten Zurückhaltung im Zweikampfverhalten.

(Helmut Neundlinger / Umsetzung für derStandard.at: Florian Gossy und Markus Hametner, 15.6.2014)