Alle reden über die zu hohen Steuern. (Fast) niemand redet über die mindestens so hohen Sozialabgaben. Besonders die Niedrigverdiener unter 11.000 Euro im Jahr, die daher keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen (immerhin rund 2,7 Mio. Personen oder 44 Prozent der Einkommensbezieher, Pensionisten sind da dabei), werden von den hohen Sozialabgaben betroffen.

Karl Aiginger, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) machte jetzt bei einem Termin mit Finanzminister Michael Spindelegger auf dieses Problem aufmerksam (wobei Aiginger Steuern und Sozialabgaben als Einheit sieht: Irgendwann werde man sie zu einem integrierten Tarif verschmelzen müssen).

Das Treffen von Spindelegger und Aiginger ist Teil einer kleinen Gegenoffensive des ÖVP-Chefs. Die österreichische Linke (SPÖ und Grüne) greifen auf linke Ökonomen, hauptsächlich aus Arbeiterkammer, Nationalbank und zuletzt Uni Linz zurück, um ihre Forderungen nach "Millionärssteuer" etc. zu untermauern. Spindelegger sucht daher, sich mit Sachverstand von eher bürgerlichen Experten aufzumunitionieren.

Ein gemeinsames Meeting mit einem Journalisten im Anschluss ergibt folgendes Bild: Spindelegger und Aiginger sind sich über zwei Dinge einig - die Belastung der Arbeit muss unbedingt gesenkt werden, die Kluft zwischen brutto und netto sei zu hoch. Und: Es besteht nicht nur ein Einnahmen-, sondern vor allem ein Ausgabenproblem des Staates: Beide sind daher für eine Kürzung der üppigen Förderungen (15 Mrd. Euro, doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt).

Auch Spindelegger will die Sozialabgaben senken, doch während Aiginger hier vorschlägt, den Sozialversicherungsträgern Ausfälle aus Steuermitteln zu ersetzen, verlangt der Finanzminister von diesen Reformen und Kosteneinsparungen.

Aiginger glaubt, dass man für eine echte Steuersenkung sieben Milliarden benötigt. Ein Teil davon soll durch Massensteuern (Energie, Tabak), ein Teil durch Förderungskürzungen und Verwaltungsreformen, aber eben auch eine Milliarde aus einer erhöhten Grundsteuer und eine halbe aus einer Erbschaftsteuer kommen. Eine Millionärssteuer kommt bei Aiginger nicht vor.

Spindelegger sagt aber auch hart Nein zu Grund- und Erbschaftssteuer. In beiden Fällen wären Betriebsvermögen, Landwirtschaft und Wohnimmobilienbesitz betroffen.

Man sollte das doch ernst nehmen - im Gegensatz zu manchen in der ÖVP und auch zu Aiginger ist Spindelegger offenbar der festen Überzeugung, dass die Mittelschicht eine (weitere) Belastung ihres Eigentums nicht tolerieren würde. Denn Grund- und Erbschaftssteuer treffen alle, nicht nur Millionäre. Die skizzierte Einkommenssteuersenkung käme aber hauptsächlich dem unteren Drittel zugute.

Umgekehrt ist nicht ganz leicht vorstellbar, dass Landeshauptleute, schwarz oder rot, ihre Fördertöpfe, mit denen sie Geschenke ans Volk verteilen, so einfach hergeben. Oder dass die SPÖ von der Millionärssteuer wieder heruntersteigt und echten Reformen in der Sozialbürokratie und bei den Pensionen zustimmt.

hans.rauscher@derStandard.at

(HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 14.6.2014)