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Die drohende Rasur für die Sanierung der Hypo sorgt für helle Aufregung.

Foto: APA/Gindl

Die Entscheidung der Regierung, Gläubiger der staatlichen Hypo Alpe Adria im Rahmen des Abbaus der Bank per Gesetz zur Kassa zu bitten, hat am Mittwoch für ein mittleres Erdbeben gesorgt. Ob Ratingagenturen, Analysten, Banker oder Anleihegläubiger – kaum waren die Eckdaten des Gesetzesentwurfs bekannt, wurde die Regierung von einer Welle der Empörung überrollt. In Summe geht es, wie berichtet, um das Erlöschen von Verbindlichkeiten in der Höhe von 1,754 Milliarden Euro; 890 Millionen davon sind (noch) vom Land Kärnten garantiert (siehe Wissen). Die Haftungen erlöschen gleich mit – vorausgesetzt, der Entwurf wird zum Gesetz.

Genau davor warnt der (der schwarzen Reichshälfte zuzuzählende) Raiffeisensektor Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP). Die Chefs der Raiffeisenzentralbank (RZB) und der Raiffeisen Bank International (RBI), Walter Rothensteiner und Karl Sevelda, schrieben gleich am Mittwoch einen Brief, in dem sie "ersuchen, das geplante Vorgehen zu überdenken". Die Banker warnen vor einem "Vertrauensverlust der Anleger", der durch den "fundamentalen Eingriff in vertragliche Rechte" entstehen könne. Auch im neuen EU-Bankenabwicklungsregime seien bundes- oder landesgarantierte Instrumente "nicht Bail-in-fähig". RBI-Chef Sevelda rechnet damit, dass "das Argument Spindeleggers, er wolle die Steuerzahler schonen", nicht aufgehen werde. "Der Preis, den der Steuerzahler für dieses Gesetz zahlen wird, wird ein sehr hoher sein", sagt Sevelda am Mittwoch zum STANDARD.

Er wirft der Regierung "Inkonsequenz" vor: "Der Konkurs wurde verworfen, weil man das Vertrauen der Anleger nicht erschüttern wollte. Die Nichthonorierung von Landesgarantien bewirkt aber dasselbe.“ Man werde nun "noch einiges unternehmen, um einen derartigen Gesetzesbeschluss zu verhindern". Sollte das Gesetz doch beschlossen werden, "wird der Verfassungsgerichtshof das letzte Wort haben“.

"Verheerende Folgen“

Die bayerische Staatsregierung will den österreichischen Schuldenschnitt nicht akzeptieren. "Es ist ein einmaliger Vorgang in Europa, dass ein Land sich per Gesetz von Schulden befreien möchte", sagte Finanzminister Markus Söder (CSU) am Mittwoch. "Wir werden auf privatrechtlicher und auf internationaler Ebene alle rechtlichen Schritte prüfen." Auch die BayernLB selbst, die mit 800 Millionen rasiert werden soll, rechnet mit "verheerenden Folgen" für den Finanzstandort Österreich; sie selbst sieht sich per "rückwirkendem Einzelfallgesetz enteignet". Dagegen werden man "alle notwendigen rechtlichen Schritte ergreifen".

Das kündigen auch betroffene Gläubiger wie die Uniqa an. Sie hat 35 Millionen Euro an landesbehafteten Anleihen gekauft und prüfe "natürlich" Klagen, wie ein Sprecher sagt. Man sei im Interesse der Kunden dazu verpflichtet, "das Geld für den Anleihekauf ist ja nicht vom Himmel gefallen".

Auch ausländische Investoren haben auf Anfrage bestätigt, dass sie rechtlich gegen den Schuldenschnitt vorgehen werden. Mit einer "enormen Klagswelle" rechnet ein deutscher Investor. "Das lässt sich niemand gefallen."

Stefan Pichler, Professor für Banking an der Wirtschaftsuniversität Wien, greift zu deutlichen Worten: "Das ist ein rückwirkender Eingriff in rechtliche Verträge mit falschen moralischen Argumenten. Das darf kein guter Wirtschaftsstandort tun und ist der erste Schritt in Richtung Ungarn."

Angesichts der massiven Reaktionen rückte der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, als Krisenfeuerwehr aus. In seinen Augen gehe es bei dem Schuldenschnitt "um einen ganz speziellen Sonderfall, in dem man nachrangige Gläubiger anders behandeln darf". Immerhin habe die Republik eine Insolvenz verhindert. Nun sei es "sehr wichtig, zu kommunizieren, dass der Bund weiterhin wie bisher zu seinen Verpflichtungen stehen wird", so der OeNB-Chef zum STANDARD.

Negativer Ausblick

Der Kommunikationsbedarf wurde flugs offenkundig: Die Bonitätswächter von Standard & Poor's haben am Dienstag sieben heimische Banken und tags darauf vier Bundesländer mit negativem Ausblick auf ihre Watchlist gesetzt. Bis inklusive Juli prüfen sie, ob die Hypo-Entscheidung weitere Folgen für die österreichische Finanzarchitektur hat. Konkret geht es etwa für die Großbanken Erste Group, Raiffeisen Bank International und UniCredit Bank Austria um zwei Ratingstufen. Dank der impliziten Staatsgarantie (der Staat lässt derzeit keine Großbanken umfallen) liegt die Bonität dieser Institute derzeit im A-Bereich, bei S&P prüft man nun aber die Abstufung ins BBB-Niveau.

Bei den vier Ländern (Wien, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark) prüfen die Kreditanalysten, ob eine einseitig verordnete Beteiligung Kärntens an den Hypo-Kosten zu einer generellen Änderung des Finanzausgleichs führt. Das würde die Länderfinanzen nämlich "unberechenbar" machen. Warum Kärnten nicht dabei ist? S&P prüft das Land gar nicht.

Nowotny gibt sich trotzdem gelassen: "Man muss das Verhalten der Agenturen von den Auswirkungen unterscheiden", sagt der Notenbank-Chef. Allerdings gibt es auch schon Auswirkungen auf den Finanzmärkten. Am Mittwoch verloren die Papiere von Raiffeisen Bank International und Erste Group um bis 5,65 Prozent.

In Schleswig-Holstein fühlte sich Finanzministerin Monika Heinold zu beruhigenden Worten bemüßigt: Das Land stehe "selbstverständlich zur Gewährträgerhaftung für die HSH", die norddeutsche Landesbank.

Ihre Unterstützungserklärung ist nicht ganz unbegründet, wie sich aus der Einschätzung internationaler Experten erhellt: "Die österreichische Regierung setzt mit ihrem gefährlichen Schritt die Kreditqualität anderer, größerer Banken und der Gebietskörperschaften aufs Spiel“, warnt Simon Adamson. Er ist leitender Bankenexperte bei Creditsights, einem Londoner Analysehaus für Anleihen. (Renate Graber, Lukas Sustala, DER STANDARD, 12.6.2014)