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Die geschichtsträchtige Wartburg war nicht nur Martin Luther ein Jahr lang geheimes Quartier, sie ist auch ein wichtiges Symbol für Burschenschaften. Doch diese sind hier nun unerwünscht.

Foto: APA/EPA/Schutt

Eisenach/Jena - Der 12. Juni, der Burschentag, ist ein großer Tag für die deutschen Burschenschaften. Am 12. Juni 1815 lösten sich mehrere Landsmannschaften auf und gründeten in einem Wirtshaus in Jena die sogenannte Urburschenschaft. Gut zwei Jahre später, am 18. Oktober 1817, lud besagte Jenaer Urburschenschaft die Verbindungen zum ersten Wartburgfest. Der Rest ist Geschichte.

Und diese verlief in den vergangenen Jahren suboptimal für den Dachverband "Deutsche Burschenschaft" (DB). Seit Mitte 2012 leidet man unter einer Austrittswelle. Schuld sind auch die Österreicher. Denn die Ösis sind innerhalb der DB vielen viel zu rechts.

Halbleere Halle

41 deutsche Burschenschaften verließen seit 2012 den Dachverband. Sie - und weitere vier freie Burschenschaften - basteln an der Gründung eines neuen Dachverbands anlässlich des Burschentages 2015. Noch 2008 gehörten 123 Burschenschaften zur DB, heute sind es knapp über 60.

"Sie müssen sich das so vorstellen", sagt Christian Becker, selbst Exburschenschafter, Betreiber des Blogs burschenschafterpacktaus.wordpress.com und Gründer der Initiative Burschenschaften gegen Neonazis, "in der Turnhalle, wo der Burschentag immer stattfindet, haben über tausend Menschen Platz - und den Platz füllte man früher auch. Jetzt sitzen da 300 bis 400. Das kann auch für die Psyche nicht gut sein. Es stärkt ihre Wagenburgmentalität."

Doch in Eisenach steht nicht nur die Aßmannhalle, in der die Burschenschaften sich treffen, sondern auch die Wartburg. Sie wird heuer allerdings nicht in die Festivitäten eingebunden sein. Im Burghof gab es bisher einen Festakt mit Ansprachen, doch auch dem Stiftungsrat der Wartburg ist der Rechtsruck des Dachverbandes zu heftig. "Diese Entwicklung hat uns auf den Plan gerufen", sagt Andreas Volkert, Sprecher der Stiftung, "sie ist nicht mehr repräsentativ für den Geist der Gründung der Burschenschaft." Dieser studentischen Reformbewegung ging es bekanntlich um Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit.

Auch die Oberbürgermeisterin von Eisenach, Katja Wolf von der Fraktion Die Linke, hält am Mittwoch fest: "Wir stehen für Toleranz und Weltoffenheit - nationalistisches Gedankengut hat hier keinen Platz." Dass die Burschen überhaupt in der Halle sein dürfen, ist dem Mietvertrag geschuldet. "Ich habe den Mietvertrag für die städtische Werner-Aßmann-Halle bereits 2012 gekündigt", so Wolf in einem schriftlichen Statement, "die lange Laufzeit des Vertrages bis 2017 konnte ich leider nicht mehr verändern."

Während man in Thüringen deutlich gegen rechtsextreme Tendenzen auftritt, lobt Becker Österreichs Zivilgesellschaft. Die Demonstrationen gegen Burschenschaftsevents wie jener am 4. Juni und gegen Aufmärsche wie jenen der Identitären seien ein "Sieg der Wiener gegen die Burschenschaften". Jedoch sieht Becker Aufholbedarf bei den Behörden: "In Deutschland beobachtet der Verfassungsschutz, etwa in Hamburg, Burschenschaften immer intensiver, Österreich hinkt da hinterher", so der Exburschenschafter, der selbst von seiner Verbindung nach 20 Jahren ausgeschlossen wurde, weil er Rechtsextremismus in der DB kritisierte. Für Becker ist klar, dass "Entnazifizierung in Österreich nicht so stattgefunden hat wie bei uns".

Doch der starke Widerstand gegen rechts der vergangenen Jahre zeige, dass "immer mehr Österreichern klar wird, wie gefährlich der braune Geist ist, der mit Burschenschaftern verbunden ist. Sie werden darauf gedrillt, Karriere zu machen und ihren Geist dann auch in Politik oder Justiz umzusetzen. In Deutschland arbeiten sie erst daran: über die AfD und den Einzug in erste kommunale Parlamente." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 12.6.2014)