Krieg spielen vertreibt die Langeweile: Ebenseer Jugendliche aus dem Dokumentarfilm "Und in der Mitte, da sind wir".

Foto: Filmladen

Wien - Ein richtiger Moonwalk will gelernt sein. Immer wieder spult Michael in seinem Zimmer vor dem Spiegel die Abläufe ab. Seine Michael-Jackson-Imitation übt er nicht nur aus Privatvergnügen ein, er plant auch, bei einem lokalen Wettbewerb vor Publikum aufzutreten. Dort läuft es dann nicht so glatt wie erhofft. Dass der Bursche sich ein paar Monate später ein neues Leitbild gesucht haben wird und Punk ist, kommt dennoch überraschend. Was er davor war, will Regisseur Sebastian Brameshuber von ihm wissen: "Überhaupt nichts."

Michael ist einer der zentralen jugendlichen Protagonisten aus dem Dokumentarfilm Und in der Mitte, da sind wir. Sie alle befinden sich in einem Übergangsstadium, die Schule haben sie entweder satt oder gerade hinter sich. Doch die Vorstellungen, was danach auf sie zukommt, ihr Platz in der Gesellschaft, das ist alles noch recht unklar. Darüber hinaus gibt es den regionalspezifischen Zusammenhang: Brameshubers Darsteller stammen aus der oberösterreichischen Gemeinde Ebensee. 2009 wurden dort die Besucher einer Gedenkveranstaltung am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers von Jugendlichen mit einer Softgun beschossen.

Das beschämende Ereignis gibt dem Film einen Fluchtpunkt, vor dem seine Gegenwart besonders scharfe Konturen erhält. Auf welchem Boden entstehen solche Taten? Das Bemerkenswerte am Zugang des selbst aus dem Salzkammergut stammenden Filmemachers ist, wie behutsam er mit dieser Frage umgeht. Er ist weit davon entfernt, vorschnell rechte Gesinnungen festzumachen. Eher ist man als Zuschauer gefordert, sich mit den eigenen Zuschreibungen zurückzuhalten. Und das fällt gar nicht so leicht: zum Beispiel gleich zu Beginn, wenn zwei Kumpels von ihrer Bewunderung von Schusswaffen sprechen.

Brameshuber nähert sich der Realität der Jugendlichen über mehrere Winkel an, und er nimmt sich die Zeit, sie über Monate hinweg zu beobachten - Unterschiede treten hervor, Entwicklungen zeichnen sich ab. Das Unbehagen, sich mit der Vergangenheit des Wohnortes (und dem Vorfall von 2009, dem "Lausbubenstückerl") zu befassen, kennen sie von ihren Eltern. Die ziehen es vor, nach vorne zu blicken. Auch der pädagogische Eifer in der Schule scheint nur bedingt zu helfen. Die Bewohner von Ebensee und die Besucher der Gedenkfeierlichkeiten leben in unterschiedlichen Welten.

Umgekehrt beschränkt sich Und in der Mitte, da sind wir nicht auf die Auseinandersetzung mit Vergangenem, sondern sucht ein dialektisches Verhältnis zu den Sinnangeboten der Gegenwart. Im Ansatz erinnert das an die Stau-Jugendfilme eines Thomas Heise. In den präzisen Einstellungen von Klemens Hufnagls Kamera wirken Ramona, Michael und Andi vor allem dann entspannt und bei sich, wenn sie ihren jeweiligen Hobbys nachgehen.

Doch Identifikationsangebote sind gering, und gerade wenn es um künftige Berufe geht, erscheinen die Jugendlichen unschlüssig, eingeschränkt, verloren. Der Leerlauf, im heimischen Kino bisweilen schon ein Klischee, ist hier noch bedrückend real. Er lauert nicht am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 12.6.2014)