"Coup Fatal" im Wiener Burgtheater: ein recht fetziges Konzert vor Vorhängen aus Patronenhülsen.

Foto: Chris van der Burght

Wien - Zwei sympathische Typen steigen in den Zuschauerraum, salutieren militärisch, skandieren "Grüß Gott! Wie gehst?" Nicht so schlecht, danke! Zu diesem Zeitpunkt hat der Besucher bei der Festwochenproduktion Coup Fatal schon zu ahnen begonnen, dass es hier nur ein kleines Problemchen - bei Rahmenbedingungen - gab: Eigentlich wäre es passend gewesen, den Raum stuhlfrei zu halten. Es war ja auch etwas beengt, als die zwei Typen noch einmal herabstiegen, um zwei Damen zum Tanz aufzufordern.

Coup Fatal (Konzept und Idee Serge Kukudji und Paul Kerstens; künstlerische Leitung Alain Platel) will ja auch ein vertanztes Konzert sein. Zwar ist der Vorhang, der die Bühne teilt, aus Patronenhülsen. Zwar sind die blauen Plastikstühle, auf denen die Musiker Platz nehmen, ein Verweis auf die Feier zum 50. Geburtstag der Demokratischen Republik Kongo. Bei selbiger stellte die Regierung Zuschauern blaue Stühle zur Verfügung, die sie schließlich mitnahmen.

Und auch der Stücktitel (Coup Fatal bedeutet "Todesstoß") soll auf Vergewaltigungen von Frauen und Gewalt an Kindern hinweisen - wie auch die weiße Militäruniform von Gitarrist Rodriguez Vangama auf dikatorische Aspekte des Landes schließen lässt. In ihrer Absicht, die ökonomische und soziale Zerrüttung des bürgerkriegsgeplagten Kongo diskret zu thematisieren, landet die Produktion jedoch im Bereich der Übermalung der Verhältnisse durch Demonstration guter Laune als Form der Selbstbehauptung. Und wie die Musiker impulsiv loslegten, war es denn auch ums kritische Potenzial geschehen - eine großzügige Entstuhlung wäre insofern nur konsequent gewesen.

So gut musiziert wurde, so winzig wirkten indes die Früchte jener Idee, barockes Material (u. a. von Händel und Gluck) afropopmäßig verarbeiten zu lassen. Deren Rhythmisierung führte leider direkt in die Crossover-Hölle der Verharmlosung. Da hätte man dem Original ganz radikal zusetzen müssen oder es unangetastet barock lassen. Immerhin Nina Simones Young, gifted and black: Die A-cappella-Variante hatte stimmige Unmittelbarkeit - wie auch der modeschauartige Hinweis auf die "Sapeurs". Es sind Männer aus Kinshasas Armenvierteln, die sich in grellen Anzügen dandyhaft geben. Wie die heiter-parodistische Präsentation der Philosophie "Eleganz trotz Elend" gemeint war, blieb jedoch unklar. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 12.6.2014)