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Project Morpheus und Oculus Rift sind noch weit von der Marktreife entfernt, die Erlebnisse der VR-Brillen überzeugen allerdings jetzt schon viele Branchenbeobachter.

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Unendlich große Spielwelten in "No Man's Sky".

Foto: Hello Games/"No Man's Sky"

"Rainbow Six: Siege" nutzt moderne Techniken für zerstörbare Kulissen, um Mehspielergefechte spannender zu gestalten.

Foto: Ubisoft/"Rainbow Six: Siege"

Vor gar nicht so langer Zeit sah die Welt der Videospiele noch ganz anders aus. Nintendo wühlte den Markt mit den Bewegungsspielen der Wii auf, Microsoft gab mit der Xbox 360 nicht nur online den Ton an, und Sony versuchte die teuer gestartete PS3 aus den roten Zahlen zu ziehen. Der PC als Gaming-Plattform wurde wieder einmal für tot erklärt, und der 60-Euro-Vollpreistitel galt bei Investoren als Ultima Ratio für erfolgreiche Geschäfte.

Alles anders

Als sich diese Woche in Los Angeles die Tore zur Electronic Entertainment Expo (E3), der wichtigsten Branchenmesse, öffneten, zeichnete der Wandel der letzten Jahre ein gänzlich anderes Bild. Die bei der Kernzielgruppe populäre PS4 führt das Konsolenrennen der neuen Generation deutlich an - gefolgt von einer Xbox One, die in den vergangenen zwölf Monaten nach schlechtem Kundenfeedback von der vorausschauenden Multimediazentrale zur klassischeren Spielkonsole gestutzt und verbilligt wurde. Und Nintendo sehnt sich mit der Wii U nach wie vor nach glorreicheren Tagen zurück.

Alte Rezepte

Ob zum Führungsausbau, zur Aufholjagd oder zum Comeback: Alle drei großen Systemhersteller bemühen das gleiche Rezept. Frische Blockbuster, bekannte Namen und auch kleinere Kreativwerke sollen vor allem die treuen Fans ansprechen. Exklusive, aber erst 2015 erscheinende Werke wie "Uncharted 4" (PS4), "Halo 5" (XBO) und "Zelda" (Wii U) buhlen um unentschlossene Käufer, während die Großproduktionen der Dritthersteller wie "Destiny", "Far Cry 4" und "Battlefield: Hardline" Spieler noch dieses Jahr zum Konsolenkauf anregen sollen. Trotz zahlreicher Verschiebungen und Verspätungen heiß ersehnter Kreationen wie des Superheldenepos "Batman: Arkham Knight" wird es ein dichtes (und kostspieliges) Weihnachten.

Trailer: "Destiny"
destinygame

Gewalt gefällt

Auffallend ist eines: So erwachsen und professionell diese jährlich 80 Milliarden Dollar umsetzende Industrie mit einer im Schnitt 30 Jahre alten Spielerschaft mittlerweile geworden ist, so stehen geblieben wirken die Vermarktungskonzepte der großen Herausgeber. Die spektakulären Hochglanztrailer strotzen nur so vor abgeschlagenen Gliedmaßen und verheerenden Explosionen. Violence sells - immer noch. Allerdings: Im Fahrwasser dieser Schlachtschiffe findet man heute häufiger denn je überaus inspirierende Kleinprojekte, die das Portfolio in die Breite ziehen. "No Man's Sky" etwa macht Spieler zu Entdeckern fremder, unendlich generierter Planeten, während "Ori and the Blind Forest" artistisch alte Jump 'n' Runs neu interpretiert.

Innovation im Detail

Innovationskraft zeigen aber auch die Giganten. Der Taktikshooter "Rainbow Six: Siege" nutzt beispielsweise moderne Techniken, um Häusergefechte durch komplett interaktive und zerstörbare Kulissen spannender zu machen. "Evolve" wiederum lässt vier Jäger gegen ein Monster antreten, das selbst von einem Spieler gesteuert wird. "The Order: 1886" verschmilzt als Steampunk-Shooter Videospiel und Film und nutzt dafür Kameratechniken, wie man sie von Hollywood-Streifen kennt. Und "Alien: Isolation" entmachtet Gamer bei der Spielumsetzung des Sci-Fi-Klassikers und macht diese zu hilflosen Gejagten im All. Interessant in diesem Zusammenhang: Nach den Jahren der krampfhaften Single- und Multiplayer-Umsetzung für alle Vollpreistitel geht der Trend wieder vermehrt zu spezialisierten Erlebnissen - siehe auch bei den kürzlich veröffentlichten Games "Wolfenstein: The New Order" und "Titanfall".

Trailer: "Alien Isolation"
Resero Trailers

Das Smartphone als Controller

Flexibilität wird bei der sich laufend neu erfindenden Branche nicht zuletzt bei der Monetarisierung bewiesen. Anstatt eine Trennlinie zwischen Plattformen zu ziehen, verschmelzen zunehmend die Grenzen. So finden sich einerseits mobil boomende Geschäftsmodelle wie Free2Play immer öfter auch bei PC- und Konsolenwerken wie Bethesda Softworks' neuem Kampfspiel "BattleCry" wieder, andererseits werden Smartphones und Tablets wie bei den 2014er-Ausgaben der Musikspiele "Just Dance" und "Singstar" heute als Eingabegeräte in Wohnzimmererlebnisse integriert. Bei den Open-World-Gefechten von "Tom Clancy's The Division" wird man wiederum per Tablet in das Spiel einsteigen und Freunden aus der Luft mit Drohnen unter die Arme greifen können.

Plattformübergreifend

Letztere Entwicklung verdeutlicht auch eines: Das eine System für Games gibt es nicht mehr. Zwar werden nach wie vor Inhalte nur für die eine oder andere Hardware produziert, weil das entweder aus Marketingsicht Sinn ergibt oder die Umsetzung erleichtert. Die meisten Studios streben jedoch übergreifende Erlebnisse an. Der Kunde soll nicht nur dort abgeholt werden, wo er sich gerade befindet, sondern sich auch keine Gedanken mehr machen müssen, wo und wie er sein Lieblingsspiel fortsetzen kann. Das fängt bei übertragbaren Speicherständen und Spielfortschritten an, wie bei "Grand Theft Auto 5", das man künftig auch auf PC, PS4 und XBO spielen wird können, und setzt sich bei nutzergenerierten Inhalten fort. Beispiele dafür sind das im November für PS4 erscheinende Jump 'n' Run "Little Big Planet 3", das die Millionen von Spielern kreierten Levels des Vorgängers für PS3 unterstützen wird, und der Games-Baukasten "Project Spark", das den nahtlosen Austausch zwischen der PC- und der XBO-Fassung erlaubt.

Trailer: "Little Big Planet 3"
PlayStation

Die Zukunft in den Brillen

Für Aufbruchstimmung unter den Herstellern sorgen aber vor allem die Fortschritte im Bereich der virtuellen Realität (VR). Zwar noch mindestens ein Jahr von der Marktreife entfernt, verzückten auf der E3 komplett vereinnahmende VR-Erlebnisse für Oculus Rift von Facebook und Project Morpheus von Sony die Fachbesucher. Ob ein Flug in einem Raumschiff, liegend auf einem Skateboard zwischen Autos flitzend oder in einem Haikäfig gefangen: Vielen, die es bereits probieren durften, ist klar, dass die Spielezukunft in diesen Traumbrillen schlummert.

Vertagte Revolution

Vertagt wurde unterdessen eine andere vermeintliche Revolution: Die von Valve initiierten Spiele-PCs "Steam Machines" glänzten nach einer kurzen Goldgräberstimmung unter den Hardware-Herstellern Anfang des Jahres nur durch Abwesenheit. Der Grund: Die Fertigstellung des auf Linux basierten Betriebssystems Steam OS und des Controllers, der PC-Games auch von der Couch aus erlebbar machen soll, verzögert sich auf 2015. (Zsolt Wilhelm aus Los Angeles, derStandard.at, 11.6.2014)