Eine Holocaust-Überlebende fragte seinerzeit bei der Republik an, ob ein Frans-Hals-Gemälde aus dem Familienbesitz im Lager für "herrenlose" arisierte Kunstschätze Mauerbach sei. Ist es nicht, lautete die Antwort. War es doch, stellte sich später heraus, aber da war die Anspruchsberechtigte schon tot.

Andere Besitzer von wertvollsten Gemäldesammlungen erhielten zwar ihren geraubten Besitz zurück, aber mit gleichzeitigem Ausfuhrverbot - das nur aufgehoben werde, wenn ein Gustostückerl der Republik gespendet wird.

Solche Fälle hat der Wiener Publizist Stephan Templ jahrelang akribisch recherchiert und polemisch veröffentlicht. Er hat sich damit wohl keine Freunde gemacht. Nun wurde er im Zusammenhang mit einem Restitutionsfall, der seine eigene Familie betrifft, zu einem Jahr unbedingt (und zwei Jahren bedingt) verurteilt. Es war eine Strafmaßherabsetzung: Vorher hatte Templ drei Jahre unbedingt gekriegt.

Der komplizierte Fall in Kürze. Das "Sanatorium Fürth" in der Wiener Josefstadt, ein massiver Bau, wurde arisiert und dann, wie so viele andere geraubte Güter nach 1945, von der Republik einkassiert. Nachdem sich spät, aber doch eine andere Mentalität in Restitutionsfragen durchgesetzt hatte, bekamen die Nachfahren den Bau zurück und verkauften an Immobilieninvestoren. Stephan Templs Mutter erhielt daraus 1,1 Millionen Euro. Templ hat aber im Antrag die Schwester seiner Mutter unter den Tisch fallen lassen, ob absichtlich oder versehentlich, ist ungeklärt. Daraufhin sah sich die Republik geschädigt. Denn die Schwester hat keinen Antrag gestellt, weil sie davon nichts wusste. Hätte sie es gewusst, hätte sie einen Antrag gestellt, sagte sie aus.

Die Republik sah sich also um 550.000 Euro geschädigt, die sie ohnehin nie hätte behalten können, und begann Templ strafrechtlich zu verfolgen. Jene Republik, die - wenn auch viele Jahre früher - Nazi-Verbrecher und Arisierungsgewinner reihenweise hatte davonkommen lassen. Jene Republik, die jahrzehntelang aus der Vermietung des Gebäudes an die USA Gewinn gezogen und es mit Aufkommen der Restitutionsansprüche rasch noch verklopfen wollte. Dieselbe Justiz, die aufgrund eines lachhaften Gutachtens gegen einen hohen Polizeioffizier, der einen Einbruch verübt hat, nicht Anklage erheben (und ihm auch noch die Frühpension zahlen) will.

Überspitzt formuliert besteht der Schaden der Republik darin, dass sie nicht nett zu Templs Tante sein konnte. Und der Clou: Die Republik fordert von Templ jetzt gar keinen Schadenersatz.

Templs Handeln war moralisch nicht korrekt. In den Internetforen (und in der Urteilsbegründung) wird ihm Geldgier unterstellt. Ob das Strafausmaß von immer noch einem Jahr unbedingt angesichts des fiktiven Schadens für die Republik angemessen ist, wäre auch ein interessanter Diskussionsgegenstand.

Templs Hoffnung liegt in einem Vergleich mit der Tante, was weitere Strafmilderung bringen könnte. Und in der Möglichkeit, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (wieder einmal) etwas anders sieht als die österreichische Justiz. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 11.6.2014)