Ein Farbenrausch:

Foto: Trenkler

Alle Räume des Schlosses - von den ehemaligen Stallungen bis zum Schüttboden - waren mit Pfingstrosen geschmückt

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Prinzendorf - Die Götter waren Hermann Nitsch wohlgesinnt - zumindest am Sonntag. Prächtiger hätte das Wetter kaum sein können für das traditionelle Pfingstfest auf Schloss Prinzendorf. Und so kamen derart viele Menschen wie niemals zuvor: Bewunderer, Sammler, Galeristen und ein Wiener Adabeifriseur. Sie kamen vielleicht, um dem alten Meister ihre Solidarität zu bekunden. Oder weil sie die Befürchtung hegten, dass dieses Fest, das bereits 42., das letzte gewesen sein könnte.

Denn die Finanz ermittelt, wie berichtet, gegen Hermann Nitsch und dessen Frau Rita. Sie mutmaßt Steuerhinterziehung durch Ab-Schloss-Verkäufe im Ausmaß von bis zu drei Millionen Euro. Wie düstere Gewitterwolken lagen die Vorwürfe über der malerischen Szenerie. Das Fest aber ließ man sich nicht verderben.

In seiner lebensbejahenden, die Natur preisenden Art gehört es ganz zentral zum Orgien Mysterien Theater. Nitsch hat dieses alle Sinne umfassende Gesamtkunstwerk bereits in den 1960er-Jahren für Prinzendorf konzipiert, als das verwunschene Schloss nichts weiter als ein Sehnsuchtsort war.

Weniger Aktion als Ritual

1971 konnte Beate Nitsch, die erste Frau des Künstlers, das damals arg ramponierte Schloss erwerben. Von nun an fanden die größten, wichtigsten Aktionen des OM-Theaters, darunter das Dreitagespiel 1984 und das Sechstagespiel 1998, in Prinzendorf statt. Alles, was Nitsch verdiente, steckte er in die Instandhaltung. Und er freut sich immer, wenn er in sein Refugium einladen kann: "Wenn mir etwas gefällt, dann soll es uns allen gehören."

Beim Pfingstfest handelt es sich nicht um eine Aktion im engeren Sinn, sondern um ein Ritual. Der Ablauf ist jedes Jahr ziemlich ähnlich. Einlass war wieder um 13 Uhr, es gab wieder ein Heurigenbuffet und naturreinen Wein. Die Blasmusikkapelle Venkovanka spielte Märsche, Polkas und Fanfaren. Trotz der Sonnenschirme setzte sich kaum jemand in die sengende Hitze des Schlosshofes: Man flüchtete mit Tischen und Bänken in den Schatten.

Oder man erkundete alle Winkel des Schlosses. Wie jedes Jahr waren die Räume - von den adaptierten Stallungen bis zum Schüttboden - mit prächtigen Pfingstrosen und anderen Blumen geschmückt. Zu sehen gab es alte und neue Schüttbilder, gestische Malereien, Relikte, komplexe Installationen mit Messgewändern.

Laut Programm sollte Nitsch um 14 Uhr über die Bedeutung des Pfingstfestes sprechen. Aber die Hitze machte ihm zu schaffen. Gegen vier schließlich griff er zum Mikrofon. Er sei kein Feind der Technik, sagte er; dass aber alle dauernd mit ihren Handys hantieren: Das könne er nicht verstehen.

Eigentlich wollte er nicht "über das Unglück reden, das über uns hereingebrochen ist". Er tut es aber doch. Er erinnert an den Einbruch, bei dem das Bargeld aus dem Tresor gestohlen wurde. Rita Nitsch engagierte, weil sie eine bestimmte Person in Verdacht hatte, einen Privatdetektiv, aber dieser verpfiff sie bei der Finanz.

"Schamloseste Sachen"

In der Folge habe die "Volkszeitung" - Nitsch meint die "Krone" - die "schamlosesten Sachen über uns geschrieben": Er sei tief betroffen, wie man in Österreich mit Künstlern, vor allem wie man mit ihm umgehe. Man gebe ihm, "dem alten Deppen", einen Stoß ins Feuer. Alles Ersparte sei nun weg, an die Realisierung eines weiteren Sechstagespiels derzeit nicht zu denken. Aber: "Ich bin froh, dass wir das Fest gemacht haben. Und es ist noch lange nicht aus!"

Die Kinder läuten die Batterie mit den Kirchenglocken, dann beginnt die "Prozession" durch die Getreidefelder und Weingärten. Die mächtigen Windräder sind erstarrt, der Mond steht am Himmel. Nach einer Stunde kehrt der Tross in der Kellergasse von Ebersdorf ein, die Kapelle spielt auf, danach geht die Wanderung weiter in die Mühle in Rannersdorf.

Nitsch schleppt sich am Stock. Aber unterkriegen lässt er sich nicht: Am 17. Juni findet in der Biblioteca Angelica in Rom ein Konzert mit seiner Musik statt, am Tag darauf wird seine Malerei in der Fondazione Ducci gezeigt. Die Galerie Hauser & Wirth plant eine Aktionismusschau in New York, im Februar 2015 folgt eine große Ausstellung in Mexiko. Und im März 2015 präsentiert das Theatermuseum in Wien das OM-Theater. Es wird weitergehen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 10.6.2014)