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Die Möglichkeit der Matura in der Fremdsprache Türkisch scheiterte bisher aus politischen Gründen.

Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Der Zeitpunkt, um das Thema wieder einmal anzustoßen, ist richtig gewählt: In diesen Wochen schwitzen und zittern Österreichs Maturantinnen und Maturanten landauf und landab im Reifeprüfungs-Finish.

So sie eine Prüfung in einer zweiten lebenden Fremdsprache zu absolvieren haben, stucken manche von ihnen dabei zum Beispiel auch Russisch, Polnisch oder Serbisch-Kroatisch-Bosnisch. Unter anderen nutzen so Schülerinnen und Schüler, deren Familien aus den dazugehörigen Ländern stammen, ihre von klein auf bestehende Zweisprachigkeit: Eine Möglichkeit, die Kinder aus türkischstämmigen Familien nach wie vor nicht haben. Denn politisch war es bisher nicht durchsetzbar, Türkisch als zweite lebende Fremdsprache und Maturafach durchzusetzen.

Von Ressentiments getragene Ungleichbehandlung

Warum das? Wer sich die bisherigen Diskussionen zu dem Thema vergegenwärtigt, muss zu dem Schluss kommen, dass die Sprachen-Ungleichbehandlung rein von Ressentiments getragen ist. Tatsächlich lässt sich in den politischen Diskussionen zu dem Thema keine sachliche Begründung für den Umstand finden, dass die Nachkommen von Türken, die eine höhere Bildung anstreben, um die Möglichkeit gebracht werden, dies auch mithilfe ihrer muttersprachlichen Kenntnisse zu tun.

Vielmehr wurde von diesbezüglichen Änderungsplänen zuletzt, 2011, nach einem irrational dominierten Argumentaustausch abgelassen. Es begann mit einer Themenverweigerung: Als die damalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) mitteilte, dass an Lehrplänen für Türkisch als Fremdsprache an Höheren Schulen gearbeitet werde, kam die Ablehnung vom Koalitionspartner ÖVP stante pede: Türkisch als zweite lebende Fremdsprache stehe "derzeit nicht auf der Agenda“, entgegnete ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon.

Blaue Ängste vor "Parallelgesellschaften“

Wortreich und vielstimmig hingegen war die Ablehnung von Seiten der FPÖ: Durch Türkisch als Maturafach würden "Parallelgesellschaften geradezu gefördert“, es wäre der falsche Weg, "in Österreich lebenden Menschen, die Türkisch nicht mehr schreiben und lesen könnten, die Sprache wieder beizubringen“, lauteten da etwa die Begründungen.

Letztere ließ darauf schließen, dass für die FPÖ nur türkischstämmige Einwanderer, die nicht mehr Türkisch sprechen, akzeptable Neo-Österreicher waren: Eine Sicht der Dinge, in der die türkische Sprache als Ausdruck einer türkischen, islamisch geprägten "Kultur“ als Bedrohungsbild fungiert.

Türkischmatura als heiße Kartoffel

2011 wurden Schmieds Türkisch-Pläne fallen gelassen, so wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel. Nun, drei Jahre später, lässt Isabella Leeb, VP-Gemeinderätin und –Bildungssprecherin in Wien, aufhorchen: Im Interview mit dem Magazin von SOS Mitmensch, MO, plädiert sie für ein Umdenken.

Sie verstehe die Vorbehalte in ihrer eigenen Partei gegen Türkisch als Maturafach nicht, sagt Leeb – und als Unternehmerin wisse sie, wovon sie spreche: Jede zusätzliche, in jungen Jahren erworbene Sprachkenntnis bringe im Berufsleben erwiesenermaßen Karrierevorteile.

"Viele machen große Karriere“

"Ich habe eine Baufirma, bilde dort Facharbeiter aus. Die Mehrheit der Lehranwärter hat Migrationshintergrund. Viele von ihnen machen große Karriere, weil sie nicht nur sehr gut Deutsch sprechen, sondern auch ihre Muttersprache. Deswegen werden viele von großen Industriefirmen für Auslandsjobs angeworben“, sagt die schwarze Gemeinderätin.

Vielleicht eröffnet dieser praktische Zugang, der auf dem Wissen basiert, welche individuellen Erfolgsfaktoren heute tatsächlich gelten, diesmal Chancen, die fortgesetzte, ungerechtfertigte Benachteiligung türkischstämmiger österreichischer Maturantinnen und Maturanten zu beenden. (Irene Brickner, derStandard.at, 8.6.2014)