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Ein Bandscheibenvorfall war der Ausgangspunkt für die Probleme von Michael K. Auf die erhoffte Umschulung wartet der 26-Jährige aber noch immer.

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Wien – Am 8. August wird es ein Jahr her sein, dass Michael K. arbeitslos wurde. Er ist zwar erst 26 Jahre alt, hat aber bereits einen Bandscheibenvorfall hinter sich und ist daher nicht mehr in der Lage, seinen alten Job als IT-Techniker auszuüben. "Ich konnte keine Computer mehr heben oder unter Tische kriechen", erzählt er dem STANDARD.

Aus seinem Plan, sich rasch vom AMS umschulen zu lassen, wurde bisher aber nichts. Noch immer ist unklar, ob er den von ihm gewünschten Kurs als IT-Manager (ein Koordinierungsjob, er müsste nicht mehr Computer schleppen) genehmigt bekommt. Seit Monaten wird er von einer Stelle zur anderen geschickt. Wenn er Glück hat, kann er im Oktober die Ausbildung beginnen, 14 Monate nach Beginn der Arbeitslosigkeit.

"Bessere Verzahnung"

Aber der Reihe nach. Von der Regierung wurde 2012 die Devise ausgegeben, die Umschulungsangebote für gesundheitlich angeschlagene Menschen auszubauen. Zahlreiche Änderungen wurden beschlossen, mit denen eine „bessere Verzahnung“ von beruflichen und medizinischen Angeboten sowie von AMS und Pensionsversicherung gelingen soll, wie es im Gesetz heißt. Primäres Ziel ist zwar, die Zahl der Frühpensionen zu senken. Aber natürlich gelten die Angebote auch für Jüngere.

Die konkrete Folge: Wer vorübergehend berufsunfähig ist, bekommt seit heuer keine Pension oder Arbeitslosengeld mehr. Stattdessen gibt es entweder ein Rehabilitationsgeld (wenn der Gesundheitszustand eine Ausbildung noch nicht zulässt) oder ein Umschulungsgeld (wenn eine neue Ausbildung zumutbar ist). Letzteres ist sogar um 22 Prozent höher als das Arbeitslosengeld.

Von einer Stelle zur nächsten

Was auf dem Papier gut klingt, funktioniert in der Praxis aber nicht immer reibungslos, wie der Fall K. zeigt. Er pendelt zwischen AMS-Huttengasse im 16. Wiener Gemeindebezirk, dem „Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum“ (BBRZ) in Wien-Simmering und der Pensionsversicherungsanstalt (PVA).

Dabei sah es am Anfang noch danach aus, als ob sich rasch ein neuer Job finden würde. Von einer Firma am Handelskai gab es bereits eine Jobzusage: Voraussetzung: K. hätte einen SCCM-Kurs (Spezialisten für Softwarerollout) absolvieren müssen. Dessen Finanzierung lehnte das AMS allerdings ab. Aus dem Job wurde daher nichts. Der rechtliche Hintergrund: Liegen gesundheitliche Einschränkungen vor, darf das AMS erst aktiv werden, wenn diese bestätigt wurden.

„Idiotenrunde“

K. wurde folglich vom AMS an das BBRZ überwiesen. In der dortigen medizinischen Abteilung wurde sein Bandscheibenvorfall untersucht – und bestätigt. Da es aber dauert, bis die Befunde ausgestellt werden, wurde es Anfang Februar, bis die zweite Runde im BBRZ-Check startete. Dabei werden die Fähigkeiten der Teilnehmer abgetestet. Am Beginn steht die "Idiotenrunde", wie es K. abschätzig nennt. "Sie haben geschaut, ob wir überhaupt gesellschaftsfähig sind." Danach folgten bis Ende März Detailtests: in logischem Denken, Deutsch und Mathematik, Umgang mit Stress, aber auch Diskussionen über den Weltfrieden und Teambuilding-Übungen (Brückenbau) standen auf dem Programm.

"Im Schnitt dauern die Tests eine Stunde pro Tag. Die restliche Zeit sind wir herumgesessen", erzählt K.. Denn es gibt Anwesenheitspflicht im Bildungs- und Rehabilitationszentrum.

Irritierender Karriereplan

Nachdem der Wiener auf Herz und Nieren getestet wurde, erstellte das BBRZ Ende März einen "Karriereplan", wobei K. über den ersten Vorschlag staunte. "Rehabilitationsvorbereitung im IT-Bereich" wäre aus seiner Sicht das Gleiche gewesen wie sein Lehrabschluss als IT-Techniker (jener Job, den er nicht mehr ausüben konnte). Beim AMS sieht man das zwar nicht ganz so, stimmte dann aber doch zu, von diesem Kurs Abstand zu nehmen.

Den zweiten Vorschlag, den gewünschten diplomierten IT-Manager, wollte das AMS nicht allein finanzieren. Kostenpunkt 4900 Euro. Daher wurde der junge Mann zur Pensionsversicherung geschickt, die in gewissen Fällen – nicht nur unmittelbar vor der Pension – einen Kostenanteil übernimmt. Dort erfolgte wieder eine Untersuchung. Ein Arzt bestätigt Mitte Mai: Ja, es liegt ein Bandscheibenvorfall vor. Die BBRZ-Untersuchung reicht der PVA nicht, sagt deren stellvertretender Chefarzt Klaus Pirich.

Keine Finanzierung

Danach wurde der Fall PVA-intern bewertet. Ein weiterer Monat später ist nun klar: Die PVA finanziert den Kurs nicht mit. Das würde man nur machen, wenn K. eine Umschulung in ein ganz anderes Betätigungsfeld brauchen würde. Da er aber körperlich leichtere Jobs im IT-Bereich annehmen könnte, erklärt man das AMS für alleinig zuständig. Nun muss dort wieder geprüft werden.

Aber muss es bei einem jungen Mann mit Lehrabschluss, der eine relativ unspektakuläre Weiterbildung machen will, wirklich so kompliziert zugehen? Pirich räumt ein: "Manchmal funktioniert es nicht so, wie es sollte. Ich will das gar nicht schönreden." Im Fall K. hätte das AMS auch schon vor der PVA-Prüfung den Kurs freigeben können, meint er. "Aber natürlich gibt es auch dort begrenzte Mittel."

Kognitive Fähigkeiten fehlen

Er bittet auch um Verständnis dafür, dass Menschen mit an sich guter Ausbildung umfassenden Tests ausgesetzt sind: "Sie dürfen nicht übersehen, wie viele Menschen mit Lehrabschluss es gibt, die nicht über die kognitiven Fähigkeiten verfügen, eine Höherqualifizierung zu machen."

Dass es manchmal schneller gehen könnte, räumt auch die Chefin des Wiener AMS, Petra Draxler, ein. "Wir wollen künftig rascher bei der Abklärung sein." Angesichts der neuen Gesetze – vor allem der Betreuungsaufwand für ältere Menschen wird steigen – habe man mit PVA und BBRZ vereinbart, dass es ab Herbst gemeinsame Besprechungen der konkreten Fälle geben soll. Draxler kann sich aber auch eine Straffung im Verfahren vorstellen. Doppeluntersuchungen hält sie nicht unbedingt für nötig. Michael K. hätte das möglicherweise einige Monate Arbeitslosigkeit erspart. (Günther Oswald, DER STANDARD, 7.6.2014)