Frankreichs Staatschef Francois Hollande hat praktisch keine Wahl, als den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei den D-Day-Feiern in der Normandie zu treffen. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer tut das in zweieinhalb Wochen freiwillig.

Das ist möglicherweise ein kluger Schritt. Wie zahlreiche europäische Politiker immer wieder betonen, ist es trotz oder gerade wegen der Ukraine-Krise notwendig, die Kommunikationskanäle zu Moskau aufrechtzuerhalten.

Eine völlige internationale Isolierung der russischen Führung würde den Konflikt wohl noch weiter verschärfen – und damit auch die Absichten des gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko untergraben. Auch er setzt auf einen Dialog mit Putin.

Mit allen Ehren empfangen

Dennoch muss man sich fragen, ob es passend ist, dass Putin nur wenige Wochen nach seiner Annexion der Krim und der anhaltenden Aggression in der Ostukraine mit allen Ehren in einer EU-Hauptstadt empfangen wird. Putin wird das als Erfolg verkaufen, schlägt er doch eine weitere Bresche in die westliche Ablehnungsfront.

Andererseits: Wien ist kein echtes Machtzentrum in Europa, und der Eintagesbesuch ist offensichtlich so gestaltet, dass wenig Zeit für symbolträchtiges Protokoll bleibt. Wenn man verstehen will, was Putin denkt und plant, dann ist ein Kurzbesuch in Österreich keine schlechte Gelegenheit dafür.

Verfehlungen deutlich ansprechen

Entscheidend wird sein, wie Fischer und Kanzler Werner Faymann mit ihrem Gast umgehen. Wenn sie Klartext reden, die völkerrechtlichen und humanitären Verfehlungen Russlands offen ansprechen und deutlich machen, dass Österreich in keiner Weise aus der westlichen Linie ausschert, dann wird Putin nicht mit Triumphgefühlen aus Wien abziehen können.

Aber das Risiko ist groß, dass Fischer & Co ein ganz anderes Signal ausschicken: Die guten Beziehungen zu Russland sind wichtiger als die Ereignisse in der Ostukraine, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind groß, und Sanktionen sind der falsche Weg, um einen Ausweg aus der Krise zu finden.

Nicht ökonomische Interessen betonen

Je öfter Spitzenpolitiker Österreichs ökonomische Interessen gegenüber Russland betonen, wie es etwa Außenminister Sebastian Kurz beim Frühlingsfest der Industriellenvereinigung Wien am Donnerstagabend tat, desto mehr gliedert sich das Land in die Reihen der Putin-Versteher ein, die Russlands Ukraine-Politik offen oder versteckt verteidigen.

Ja, man muss versuchen zu verstehen, was Putin antreibt und wohin er will. Aber Verständnis darf ein Land wie Österreich keines zeigen – schon gar nicht als Gastgeber bei einem umstrittenen Besuch. (Eric Frey, derStandard.at, 6.6.2014)