War das jetzt a) ein "Bettelbrief" oder b) ein "Wutbrief" oder c) ein "Schuss-ins-Knie-Brief"?

Der Reihe nach: Das Magazin Profil hat eine Titelgeschichte veröffentlicht, in der prominente österreichische Millionäre - von Hannes Androsch über Eva Dichand bis Andreas Treichl - erklären, sie würden gern Vermögenssteuer zahlen ("Lasst uns bitte zahlen!"). Wenn man mehr als die Überschrift liest, kann man unschwer erkennen, dass praktisch alle Millionäre dieses mutige Bekenntnis mit handfesten Bedingungen verknüpfen (Dichand: "Einsparung in der Verwaltung"; Treichl: "deutliche Senkung der Einkommensteuer"; "Androsch: "zuerst klären, welches Vermögen besteuert werden soll"). Das entwertet das großzügige Angebot ein ganz kleines bisschen.

Jedenfalls hat Finanzminister Michael Spindelegger beim Lesen eine Viechswut bekommen und einen Brief an die Herrschaften abgefeuert, des Inhalts (sinngemäß): Wenn sie schon überflüssiges Geld haben, dann sollen sie nicht eine neue Steuer fordern, sondern für die Wissenschaft spenden.

Enthüllung: Das war sarkastisch gemeint. Da aber niemand bei Michael Spindelegger eine hohe Sarkasmus- oder Ironiefähigkeit vermutet, wurde dies in den Medien als "Bettelbrief" interpretiert: "eine peinliche Aktion für einen Finanzminister". Vielleicht hätte Spindelegger ein zwinkerndes Ironie-Smiley ;-) dahintersetzen sollen.  (Hans Rauscher, DER STANDARD, 6.6.2014)