Viele Jugendliche trinken ihr Bier lieber in Parks oder an anderen innerstädtischen Plätzen als im Stadtcafé - in Innsbruck könnte das womöglich bald nicht mehr möglich sein.

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Innsbruck - Der perfekte Städter: möglichst unauffällig, konsumgetrieben, angepasst, gemäßigt. Vor diesem vermeintlichen Idealbild warnen derzeit zumindest Innsbrucker Rote, Grüne und eine Onlineinitiative rund um den Kabarettisten Markus Koschuh. "Bei mir schleicht sich die Angst ein, durch die vielen Verbote ist in der Stadt bald nur mehr der genormte Mensch erwünscht", sagt etwa die Innsbrucker Gemeinderätin Angela Eberl (SP).

Sie spielt auf mehrere Verbotsdiskussionen an, die Tirols Landeshauptstadt gegenwärtig beschäftigen: Bereits seit April 2013 darf man in einem Teil der Maria-Theresien-Straße nicht mehr Rad fahren. Das absolute Bettelverbot wurde im Jänner durch ein Verbot aggressiven Bettelns abgelöst - die Diskussion darüber aber erst recht angeheizt. Und nun das geplante Alkoholverbot.

Beschluss im Gemeinderat

Eine entsprechende Verordnung wird voraussichtlich kommenden Donnerstag im Gemeinderat beschlossen - mit den Stimmen von ÖVP, Für Innsbruck, der Partei der Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer, und der FPÖ, den Initiatoren. Sie soll die Innenstadt und einige Bereiche rund um das Zentrum betreffen.

Ziel ist es, die "massiven Einschränkunken für Unternehmer" (Barbara Traweger-Ravanelli, VP) zu reduzieren - wohl in der Hoffnung, dass die Dosenbier trinkenden Jugendlichen, statt am Brunnen zu sitzen, ein Getränk im Innenstadtlokal konsumieren.

"Die Stadt ist nicht Tourismus-Disneyland, sondern Lebensraum für alle", sagt hingegen Koschuh, dessen neue Facebook-Gruppe "Innsbruck: für Lösungen - gegen Verbote" innerhalb von fünf Tagen rund 1500 Anhänger fand.

Durch die neue Verbotskultur würden Probleme nicht gelöst, sondern verlagert und die Armut in der Stadt verleugnet, glaubt er. "Die Stadt war früher eine Integrationsmaschine. Das Resultat von Verboten ist, dass nur noch der Konsum zählt und immer mehr Menschen überflüssig werden", sagt die Innsbrucker Soziologin Waltraud Kreidl.

Ähnliche Worte hörte man bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Bettelei, an der alle Parteien (bis auf die FPÖ), die Polizei und andere Interessensvertreter Platz nahmen. "Viele greifen das Vorurteil der organisierten Bettelei auf, um eine Rechtfertigung zu finden, das Thema ausblenden zu dürfen", sagt die grüne Soziallandesrätin Christine Baur.

Picknick auf Probe

"Wir lieben sie (Rumänen, Bulgaren, Ungarn, Anm.), wenn sie unsere Eltern pflegen oder uns billiges Gemüse auf den Tellern bescheren. Wir hassen sie, wenn sie uns eine Kleinigkeit abverlangen", sagt Georg Schärmer, Direktor der Caritas Innsbruck. Aus dem Publikum wurde die Forderung laut, eigene Betteleibestimmungen gänzlich aufzuheben - schließlich regle Delikte wie Ausbeutung oder Erpressung ohnehin das Strafgesetz. Heute, Donnerstag, findet in Linz ein Gipfel statt, an dessen Ende ein Bettelverbot stehen könnte.

Eines wird hingegen demnächst erlaubt sein in Innsbruck: nämlich auf den Rasenflächen des Hofgartens zu liegen, zu spazieren oder zu picknicken - wenn auch vorerst nur auf Probe. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 5.6.2014)