Wien - Am sechzehnten Verhandlungstag im YLine-Strafprozess ist ein angeklagter ehemaliger YLine-Vorstand einvernommen worden. Er habe damals den von der mitangeklagten ehemaligen Wirtschaftsprüferin verfassten "Warnbrief" an den Yline-Vorstand nicht so ernst genommen. "Heute ist das für mich ein Alarm", sagt der Angeklagte am Mittwoch vor dem Schöffensenat im Landesgericht Wien.

Zum Schreiben des "Warnbriefes" anlässlich der Bilanzerstellung 2000 sei sie gesetzlich verpflichtet gewesen, da sie den Vorstand von "bestandsgefährdenden" Umständen informieren musste, sagte die Prüferin bereits bei ihrer eigenen Einvernahme. Sie erteilte für den Jahresabschluss 2000 dennoch einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, allerdings mit "Zusätzen", wofür sie jetzt auch auf der Anklagebank sitzt.

"YLine ist nicht tot"

Er habe damals diesem Warnbrief nicht diese Bedeutung zugemessen wie heute und sich auch auf einen Aktenvermerk verlassen, wonach die Prüferin auf die Frage, ob YLine "tot" sei, gesagt habe, "nein, YLine ist nicht tot", und es bestehe keine Gefahr für den Fortbestand. Er habe auch bei der Prüferin direkt nachgefragt. Sie meinte, er brauche sich keine Sorgen zu machen. "Ich würde das heute auf jeden Fall anders sehen, ich würde mich nicht mehr so einfach beruhigen lassen", sagte der Angeklagte.

Der Ex-Vorstand beteuerte auch, von der laut Anklage bereits ab Jänner 2001 drohenden Zahlungsunfähigkeit des Internetunternehmens nichts bemerkt zu haben. Er hätte in seiner Funktion als Technikvorstand aber auch keinen Einblick in die Bücher gehabt, sondern sich auf die Informationen der damalige Finanzvorständin verlassen.

Der Angeklagte verteidigte auch seine ihm von der Staatsanwaltschaft als Insiderhandel vorgeworfenen Aktienverkäufe im Februar und April 2001. Er müsse diese Vorwürfe auf das Energischste zurückweisen. "Ich wollte einfach einen Schlussstrich ziehen unter die ganze Sache YLine", so der Angeklagte. Laut Anklage hat er in Summe rund 550 YLine-Aktien verkauft und dadurch einen Schaden von 16.341 Euro verursacht.

YLine-Chef wirkte wie ein "Visionär"

Auch der neuntangeklagte Ex-Vorstand bezeichnete den Hauptangeklagten ehemaligen YLine-Chef Werner Böhm als "großen Visionär" und als unglaublich überzeugend. Sein Führungsstil sei "sehr spontan, aktiv und ungewohnt" gewesen. Er habe damals verstanden, dass es so sein müsse. Anfangs sei das kein Problem gewesen. "Irgendwo im Herst 2000 habe ich ihn schon nimmer verstanden", so der Angeklagte. Schuld daran seine Auffassungsunterschiede über die Strategie gewesen. Er habe das Deutschland-Projekt weitertreiben, die bereits vorhandene Software zusammenführen und die technologische Basis vereinheitlichen wollen. Seiner Überzeugung nach hätte YLine keine große Struktur, sondern das richtige Management benötigt, um das umzusetzen. Böhm habe die Ausrichtung der YLine dagegen sehr stark am Kapitalmarkt orientiert.

Zum Bruch sei es im Frühjahr 2001 gekommen, als Böhm wegen neu entstandener Kosten im Projektbereich auf einmal Haftungsfragen gegen ihn in den Raum gestellt habe. "Ich habe Angst gehabt, dass die YLine auf mich losgehen könnte", so der Angeklagte, der daraufhin auch seinen Rückzug aus dem Vorstand und der YLine-Deutschland anbot.

Kombination verschiedener Faktoren

Auf die Frage der vorsitzenden Richterin Marion Zöllner, wer an der YLine-Pleite schuld gewesen sei, etwa IBM, wie es der Hauptangeklagte Böhm behaupte, meinte der Angeklagte nach längerer Überlegung, seiner Meinung nach sei es eine Kombination von verschiedenen Faktoren gewesen. "Es war nicht einer alleine Schuld". Begonnen habe es mit der gescheiterten Beko-Übernahme im Dezember 2000. "Beko war eine Nummer zu groß", so der Angeklagte. Durch dieses Scheitern sei dann ganz viel verworfen worden. Durch die falsche Beko-Entscheidung sei ein Quartal verloren worden, was damals sehr viel Zeit gewesen sei.

Nach seinem Ausscheiden im Frühjahr 2001 seien dann noch viele Dinge passiert, die er nicht nachvollziehen könne, etwa, wie man die Partnerschaft mit IBM habe aufgeben können. "Ich bin überzeugt, dass man gemeinsam eine Einigung erzielen hätte könne".

Wesentlich für die Schwierigkeiten seien auch noch die nicht erfolgten Zahlungen durch den Investmentbanker und BlueBull-Betreiber Mike Lielacher gewesen, mit denen Böhm gerechnet habe und die bestätigt gewesen seien. Dabei ging es um rund 6 Mio. Euro.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts fortgesetzt. (APA, 4.6.2014)