Die Funktion eines Stiegenhauses: den Höhenunterschied zwischen den Stockwerken überwinden. Was passiert aber, wenn Architekten es zu einem Kunstraum machen? Das ist im Salzburger Rathaus zu sehen

Oft verstecken sich die außergewöhnlichsten Orte hinter einer alltäglichen Fassade. Ein gutes Beispiel dafür ist das neue Treppenatrium im Salzburger Rathaus in der Getreidegasse.

Michael Hierner

Im Rahmen einer kürzlich erfolgten Renovierung sollte die Funktionalität und Barrierefreiheit des Gebäudes verbessert werden. Neben einer neuen Durchgangspassage mit einem Boden aus Flusskieseln der Salzach überrascht vor allem ein neues Lichtatrium die Besucher des Hauses.

Michael Hierner

Die Idee der beiden Architekten maxRIEDER und Erich Wagner ist einfach, aber wirkungsvoll: Der jahrhundertealte Innenhof wurde überdacht und mit quer durch den Raum verlaufenden Treppen zur neuen Erlebnisspirale – vulgo Treppenhaus – umfunktioniert.

Michael Hierner

„Die Stahltreppen haben Ähnlichkeit mit der Reling eines Schiffs. Das soll die Gemeinderäte auf dem Weg zum Gemeinderatssaal daran erinnern, dass sie im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger arbeiten und sie gleichzeitig auch zu einem ‚Aufbruch zu neuen Ufern’ auffordern“, so maxRIEDER.

Michael Hierner

Die spiegelnde Unterseite der Treppen erinnert an scharfe Hubschrauberrotorblätter und deren Dynamik. Langgezogene Lichtstäbe verstärken den Effekt der Reflexionen und betonen die vertikale Achse des Raumes.

Michael Hierner

Durch die Überdachung wurde der Außenraum zum geschützten Innenraum. Das zog auch neue Mieter in den oberen und unteren Geschoßen an.

Michael Hierner

Je nach Position im Raum wirken die Stufen fast wie die optischen Illusionen von M. C. Escher oder Giovanni Battista Piranesi. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass über das Stiegenhaus sogar in amerikanischen Architekturpublikationen berichtet wurde.

Michael Hierner

Inzwischen haben auch Fotografen den komplex durchdrungenen Raum als Bühne für Hochzeitsfotos entdeckt. „Aufgeschlossene Hochzeitspaare schätzen die Szenerie mehr als Schlüsselbild ihrer Vermählung als die berühmte Mirabelltreppe“, so maxRIEDER.

Michael Hierner

Berührend ist die Geschichte einer Pensionistin, die die Treppenskulptur als Ort der Selbsttherapie für sich entdeckt hat: „Ich habe Höhenangst. Anfangs hatte ich ein unglaubliches Ziehen in den Füßen, aber inzwischen war ich schon mehrmals ganz oben“, berichtet sie stolz. (Michael Hierner, derStandard.at, 6.6.2014)

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maxrieder.at

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