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Die EU fordert von britischen Regierung, etwas gegen die rapide steigenden Immobilienpreise zu unternehmen.

Foto: Reuters/Melville

Die EU-Kommission hat die Wohnungspolitik der britischen konservativ-liberalen Koalition scharf kritisiert. London solle "angemessene Maßnahmen" gegen die rapide steigenden Immobilienpreise unternehmen und Steuererhöhungen für Hausbesitzer in Betracht ziehen, heißt es im jüngsten Brüsseler Jahresgutachten. Der Hypothekenbank Nationwide zufolge kosten Immobilien auf der Insel elf Prozent mehr als vor Jahresfrist. Die Preissteigerung ist die höchste seit der Finanzkrise 2007. Tatsächlich habe man auf dem Häusermarkt ein Problem, räumte Wirtschaftsminister Vincent Cable ein. "Aber um das zu wissen, brauchen wir die EU nicht."

Die Intervention der Kommission kommt zum denkbar unglücklichsten Zeitpunkt. Nach dem Wahlsieg der EU-feindlichen Ukip (27 Prozent) bei der Europawahl sind besonders viele Konservative auf Konflikt mit Brüssel programmiert. Dies dürfte eine große Rolle spielen, wenn das Parlament in den nächsten Tagen das Regierungsprogramm für die elf Monate bis zur nächsten Unterhauswahl debattiert.

Dabei drückt Brüssel nur aus, was viele Skeptiker der Regierungspolitik unter Premier David Cameron seit mehr als einem Jahr sagen. Zwar habe sich die durchschnittliche Verschuldung der Privathaushalte zuletzt von 170 Prozent des Jahreseinkommens auf 150 Prozent reduziert, weiß der Ökonom Adair Turner, früher Geschäftsführer des Industrieverbandes CBI. "Aber ein zu großer Anteil unseres Wachstums beruht noch immer auf Neuschulden."

Wohnraum spielt entscheidende Rolle

Dabei spielt der Wohnraum eine entscheidende Rolle. Wie von Brüssel bekräftigt, werden auf der Insel für die wachsende Bevölkerung seit Jahren zu wenige Immobilien gebaut. Der jüngsten Statistik zufolge wurde im vergangenen Jahr der Grundstein für 133.650 neue Wohnungen und Häuser gelegt. Um den Bedarf der stetig wachsenden Bevölkerung zu decken, wären Experten zufolge aber jährlich beinahe 300.000 Immobilien nötig. Im vergangenen Monat warnte deshalb auch der britische Zentralbank-Gouverneur Mark Carney vor einer neuen Immobilienblase: "Das stellt das größte Risiko für die Finanzstabilität und die anhaltende Erholung der Wirtschaft dar."

Einen besonders wunden Punkt trifft die Kommission mit ihrem Hinweis auf die regressive Besteuerung von Immobilien. Seit 1991 sind die Listen nicht mehr angepasst worden, nach denen sich die lokale Grundsteuer bemisst. Das hat zur Folge, dass für Millionenanwesen in der Boomregion London (16 Prozent Preisanstieg) das gleiche Entgelt bezahlt werden muss wie für viel bescheidenere Häuser im Norden des Landes, wo sich die Immobilienpreise um höchstens vier Prozent gesteigert haben. "Das ist kein faires System", glaubt Ökonom Turner.

Ein Sprecher des Schatzkanzlers George Osborne teilte herablassend mit, man lese die Mitteilungen aus Brüssel "stets mit Interesse".  (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 4.6.2014)